Streik bringt dauerhaft keinen höheren Preis

Hohenloher Zeitung vom 19.6.2008


Der mehrtägige Milchlieferstopp hat auch beim Bauernverband Schwäbisch Hall-Hohenlohe für große Unruhe gesorgt. Aufgebrachte Delegierte erhoben bei der jüngsten Versammlung schwere Vorwürfe gegen die Verbandsspitze. Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) – vor zehn Jahren von gefrusteten Mitgliedern des Bauernverbands gegründet – hat dagegen gepunktet. Er stand voll hinter dem Streik. Im Gespräch mit HZ-Redaktionsleiter Ralf Reichert verteidigt Vorstandsvorsitzender Klaus Mugele (Foto: privat) aus Schwarzenweiler den Kurs des Bauernverbands.

Wie viele Austrittsanträge haben Sie in letzter Zeit bearbeiten müssen?


Klaus Mugele: Vor der Delegiertenversammlung fünf, danach drei.


Nach der aufgeheizten Stimmung bei der Veranstaltung zu urteilen, hätten es weitaus mehr sein müssen.


Mugele: Ich habe nicht mit mehr gerechnet.


Warum nicht?


Mugele: Weil die deutliche Mehrheit der Mitglieder unsere Auffassung teilt.


Und die wäre?


Mugele: Die Teilnahme an einem Milchlieferstopp ist einzig und allein die Entscheidung der jeweiligen Bauernfamilie. In diesem Punkt kann und darf ein Berufsverband nicht hineinreden.


Dennoch wurde Ihnen zögerliches Verhalten vorgeworfen.


Mugele: Der Bauernverband hat sich nicht zögerlich verhalten, sondern von Beginn an klar Position bezogen.


Früher stand der Bauernverband immer an der Spitze großer Proteste. Warum duckte er sich diesmal weg?


Mugele: In allen Äußerungen der Bauernfamilien ist klar zum Ausdruck gekommen, dass es persönlich eine unheimliche Hürde ist, Milch wegzuschütten.


Das ist klar. Doch in der Verzweiflung hilft vielleicht nur noch dieser Weg.


Mugele: Wir sind nach wie vor dagegen, Landwirte in Gewissensnöte zu bringen und zu einer Entscheidung zu drängen, die sich ihnen moralisch eigentlich verbietet. Dass wir mit unserer Einschätzung richtig liegen, zeigt sich daran, dass in unserem Verbandsgebiet während der Protestaktion immer über 60 Prozent unserer Milcherzeuger Milch geliefert haben.


Trotzdem herrscht dicke Luft. Einen größeren Aderlass verärgerter Milchbauern können Sie sich kaum leisten.


Mugele: Wir wollen die aktiven Milcherzeuger in unseren Reihen halten und Mitglieder, die gekündigt haben, überzeugen, dass dies der falsche Weg ist. Bauernverbandsarbeit ist mehr, als sich über aktuelle Probleme am Milchmarkt auseinander zu setzen.


Der Bund Deutscher Milchviehhalter wird dennoch Zulauf bekommen.


Mugele: Wir haben viele Mitglieder, die in beiden Verbänden aktiv sind. Insofern bedeutet ein BDM-Eintritt nicht automatisch den Austritt bei uns. Alle BDM-Verantwortlichen, die ich kenne, stellen die Arbeit des Bauernverbands nicht in Frage, weil sie ein Spezialverband in dieser Breite von Steuerfragen bis zu Umwelt- und Tierschutzauflagen gar nicht leisten kann.


Fakt aber ist: Der BDM hat Ihnen vorerst die Show gestohlen.


Mugele: Uns geht es nicht um Showeffekte. Der richtige Zeitpunkt für eine Beurteilung des Lieferstopps ist frühestens in einem halben Jahr.


Ein Milchstreik als letztes Mittel ist und bleibt für Sie also kein Thema?


Mugele: Angebot und Nachfrage allein bestimmen den Preis für die Milch. Wir sind uns sicher, dass mit einem Streik, der immer nur befristet sein kann, keine dauerhafte Verbesserung des Preisniveaus zu erreichen ist. Der Milchpreis wird immer dann höher liegen, wenn der Absatz besser läuft. Oder wenn die Erzeugungsmenge zurückgefahren wird.


Der BDM plädiert für eine flexible Mengenregelung in Bauernhand. Ist das eine Lösung?


Mugele: Das System müsste so beschrieben werden, dass es funktionieren kann. Wir warten ab, bis das Konzept erarbeitet ist, dann sehen wir weiter.


Das klingt nach Annäherung.


Mugele: Bauernverband und BDM reden miteinander, auch hier auf Kreisebene. Es ist besser miteinander zu reden als übereinander.


Wie können die Hohenloher Milchbauern langfristig überleben?


Mugele: Wir können die Milchpreise so hoch festsetzen, wie wir wollen. Wenn es der Markt hergibt, hat immer der Betrieb, der unter günstigeren natürlichen Bedingungen wirtschaftet, einen größeren Vorteil als derjenige, der unter schwierigen Bedingungen, so wie hier in Hohenlohe, Milch erzeugt. Dieser Nachteil ist Fakt, genauso wie die europäische Agrarpolitik, die konsequent auf den Markt setzt. Darauf müssen sich die hiesigen Milcherzeuger einstellen. Die strukturellen und natürlichen Nachteile müssen aber aus den öffentlichen Kassen ausgeglichen werden. Die Erhaltung unserer Kulturlandschaft kann bei niedrigsten Milchpreisen nicht zum Nulltarif verlangt werden. 


 

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