Hohenloher Schweinetag 2022

Schweinehalter sollten „auf Sicht fahren“

Investieren, abwarten oder aufhören – diese Fragen stellen sich immer mehr deutsche Schweinbauern. Auch in traditionellen Schweineregionen sind viele Züchter und Mäster vorsichtig. Möglichkeiten zum Austausch gab ihnen der Hohenloher Schweinetag am 8. Dezember 2022 beim Bauernverband Schwäbisch Hall – Hohenlohe – Rems, gemeinsam mit der IG Schweinemast, dem VLF und dem Landwirtschaftsamt Hohenlohekreis.

„Heute wäre ich längst pleite“ so ein Schweinehalter aus Hohenlohe, „wenn ich in den vergangenen 15 Jahren nicht alle Fördermöglichkeiten für den Betrieb genutzt hätte. Vom Markterlös konnten wir nicht leben.“  Wie diesem Landwirt geht es vielen Schweinehalterinnen und Schweinehaltern in Hohenlohe, Baden-Württemberg und auch deutschlandweit. Sie machen sich Sorgen um ihre Zukunft, um das Fortbestehen des Betriebes und zum Teil um ihre Familien. „Hast du Schweine, hast du Scheine?“ Dieses Sprichwort aus den 1980ern gilt heute längst nicht mehr. Der Markt für Mastschweine und Ferkel ist von Unsicherheit und stark schwankenden Preisen – oft auf zu niedrigem Niveau – geprägt. Was einst ein lukratives Geschäft für Landwirte war, ist in den letzten Jahren immer mehr zur Risikopartie geworden. Dazu immer mehr Auflagen durch die Politik. Wie zu niedrige Erzeugerpreise einerseits und immer höhere Anforderungen des Lebensmitteleinzelhandels hinsichtlich Tierwohl für Zündstoff sorgen, wurde beim Hohenloher Schweinetag am 08. Dezember 2022 besonders deutlich. Etwa 100  Schweinehalter informierten sich, um einen Weg aus der andauernden Krise in den Ställen hin zu einer nachhaltigen und tierwohlgerechten Zukunft zu suchen.

 

Druck von Markt und Gesellschaft

 

Nach einleitenden Worten von Thomas Wenzel, dem Vorsitzenden der Interessengemeinschaft Hohenloher Schweineerzeuger (IG Schweinemast) und Jürgen Maurer, dem Vorsitzenden des Bauernverbandes Schwäbisch Hall-Hohenlohe-Rems e.V., beleuchtete Hansjörg Schrade, Leiter der Landesanstalt für Schweinezucht (LSZ) Boxberg, die Situation auf dem Schweinemarkt aus Sicht der amtlichen Forschung. Viele Ställe stünden leer, obwohl die Kredite dafür abbezahlt seien, stellt Schrade in den Raum. Das zeuge von einer großen Unsicherheit für Ferkelerzeuger und Schweinemäster. Für ihn ist aktuell ein Strukturbruch in der Schweinehaltung erkennbar, der vor allem durch die schlechte Wirtschaftlichkeit und Unsicherheit seitens der Politik verursacht werde.

 

Die gesellschaftliche Kritik an der Schweinehaltung, regelmäßig befeuert von Medienbeiträgen wie jüngst durch die Schauspieler Hannes Jaenicke und Sky Du Mont haben diese Situation noch zugespitzt und „drücken auf´s Gemüt“, meint Schrade. Er fragt sich: „Was bringt uns wieder in die Spur?“

 

 

 

Matthias Frieß, Michael Wahl, Hans Jörg Schrade, Hans Benno Wichert

 

Hoffnung, aber keine Perspektive

 

Hoffnung für einen Wandel zum Positiven habe er trotzdem. Was die Politik unter der Großen Koalition mit der Borchert-Kommission im Rahmen des Kompetenznetzwerkes Nutztierhaltung seit 2019 auf den Weg gebracht habe, der sogenannte „Borchert-Plan“ sei der „einzige ehrliche Ansatz, der eine Perspektive gibt.“ Dieser sehe vor, dass über staatliche Transferzahlungen Aufwendungen der Bauern für Tierwohl ausgeglichen werden soll, die über den Marktpreis angesichts des globalen Wettbewerbs nicht finanziert würden. Doch das Manko der fortschrittlichen Pläne sorgt nach den Ausführungen Schrades für Ernüchterung im Raum: Denn die „Vorschläge der Borchert-Kommission seien zwar richtig und zielführend, würden aber von den momentan Verantwortlichen nicht umgesetzt. Schrade meint: „Der Lebensmitteleinzelhandel gibt den Ton für Haltungsbedingungen an, nicht die Verbraucher. Wir brauchen zusätzliches Geld. Wenn das nicht von der Ladenkasse kommt, muss es andere Wege geben.“ Diesen deutlichen Worten folgte Applaus aus dem Publikum. Hans-Benno Wichert, Vizepräsident des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg e. V. und Präsident des Schweinezuchtverbandes meint: „Das, was von Schweinehaltern verlangt wird, zahlt der Verbraucher niemals allein.

 

Planungssicherheit für 10 Jahre nötig

 

Damit schweinehaltende Betriebe in Deutschland eine Zukunft haben, brauche man verlässliche und langfristige Vertragspartnerschaften, stellt Hans-Benno Wichert klar. Könnten Betriebe sicher über einen Zeitraum von mindestens 10 Jahren vorausplanen, wären Investitionen für mehr Tierwohl in der Schweinehaltung realisierbar. Dann müsste jedoch auch die Politik planungssichere Rahmenbedingungen schaffen. Wissen Schweinehalterinnen und Schweinehalter, worauf sie sich einstellen müssen, sind viele bereit zu investieren. Das unterstrich auch Matthias Frieß, Vorstandsvorsitzender der Unabhängigen Erzeugergemeinschaft Hohenlohe-Franken (UEG). Er meint: „Die Bauern brauchen Sicherheit, sonst werden sie nicht investieren.“ Über mögliche Förderungen tierwohlgerechterer Haltungssysteme und Investitionsförderprogramme informierte Michael Wahl vom Landwirtschaftsamt des Landkreises Hohenlohe.

 

Lösungen für Schweinehaltung in Sicht?

 

Nur gedämpfter Optimismus kam bei der abschließenden Diskussion auf. „Ich bin seit 15 Jahren Mäster und ich kann nicht mehr frei entscheiden. Wenn ich nicht jeden Topf angezapft hätte - bei meiner Betriebsgröße - würde es meinen Betrieb heute nicht mehr geben. Ich bin von der Politik abhängig,“ sagte ein Landwirt empört. Vermarkter Frieß rät den Anwesenden zum Abwarten, bis sichere politische Rahmenbedingungen gelten. Investitionen sollten nicht vorschnell getätigt werden. „Fahren sie auf Sicht,“ meint er zum Abschluss. Das Risiko in Anlagen zu investieren, die sich nicht refinanzieren, sei momentan zu groß.

 

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