Neues Tierhaltungslabel ist Schnellschuss und Mogelpackung

Özdemirs Tierhaltungslabel: Schnellschuss und Mogelpackung

Am vergangenen Freitag hat der Bundesrat sein "Go" gegeben - das neue Tierhaltungslabel mit fünf Haltungsstufen für Frischfleisch kommt ab 2024. Erst nur für Schwein, später auch für Rind, Schaf etc. Warum das Zeichen den Rückgang der Schweinehalter beschleunigen wird, hat unser Verbandsgeschäftsführer Helmut Bleher dem Haller Tagblatt gesagt.

 

Foto: Dagmar Alberti

Es war lange im Gespräch - nun kommt es mit Sicherheit: Das fünftstufige Tierhaltungslabel. Ab 2024 wird es verpflichtend die Haltungsbedingungen für frische Fleischwaren kennzeichnen. Schweinefleisch macht den Anfang. Doch auch für Rindfleisch, sowie Schaf- und Ziegenfleisch wird das Label künftig deren Haltungsform anzeigen. Eine Anfrage des Haller Tagblattes nach einer Stellungnahme zum neuen Tierhaltungslabel beantwortete Helmut Bleher, Geschäftsführer des Bauernverbands Schwäbisch-Hall, Hohenlohe, Rems e.V. am Montag wie folgt:

 

"Die Bauern in Hohenlohe stehen zur Nutztierhaltung mit hohen Tierwohlanforderungen wie in kaum einer anderen Region in Europa. Gerade unsere Schweinehalter haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass sie diese Herausforderungen ernstnehmen. Der weitaus größte Teil der hier erzeugten Schweine wird im Rahmen der Initiative Tierwohl unter hohen und über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehenden Vorgaben gehalten.

Wir hätten von der Bundesregierung ein Tierschutzlabel erwartet, das - wenn schon zunächst auf die Schweinehaltung beschränkt - wenigstens sicherstellt, dass die Tiere unter unseren hohen deutschen Vorschriften erzeugt worden sind. Das ist aber nicht der Fall. Ferkel können aus ganz Europa hierher verkauft werden, obwohl diese nicht unter unseren Vorgaben geboren und aufgezogen worden sind. Weder haben die Muttersauen außerhalb Deutschlands soviel Fläche wie bei uns zur Verfügung, noch laufen sie frei. Sogar die Kastration ohne Betäubung oder mit ungeeigneten und bei uns verbotenen Methoden ist z.B. in den Niederlanden oder Dänemark erlaubt. Trotzdem erhalten die Fleischprodukte das deutsche Tierwohllabel, schon wenn die Tiere in der zweiten Hälfte ihres Lebens in Deutschland gehalten worden sind.

Die Stufen 3 und 4 des Tierwohllabels (Frischluftstall und Auslauf) sind nur in wenigen Fällen von den Tierhaltern erfüllbar. Dem stehen nämlich viele baurechtliche Probleme entgegen. Denn die sogenannten "Frischluftställe" verursachen erheblich höhere Emissionen und sind in vielen Fällen, gerade bei uns in unserer dicht besiedelten Dorfstruktur in Baden Württemberg, kaum genehmigungsfähig. Zudem verursacht der Neu- oder Umbau hohe Kosten. Dies gilt auch schon für die Stufe 2, in der deutlich mehr Platz für das Tier vorausgesetzt wird.

Das größte Problem ist aber, dass sich mit der Auszeichnung des Tierwohllabels kein positiver Preiseffekt beim Verbraucher erzielen lässt. Denn heute schon sind in den vorhandenen Tierwohllabels der großen Ketten des Lebensmmitteleinzelhandels die höheren Standards wahre Ladenhüter. Dies wird auch so bleiben, solange es möglich ist, in den deutschen Regalen Schweinefleischprodukte anzubieten, die weit unterhalb der deutschen Vorgaben erzeugt und hierher geliefert werden. Und wohlgemerkt: Wir sprechen hier nur von einem Label für Frischfleisch, also dem Teil des Marktes, in dem eine direkte Kommunikation schon heute nur mit mäßigem Erfolg stattfindet. Im Verarbeitungsbereich ist das Label nicht vorgesehen.

Für die Bauern entsteht mit dem jetzt eingeführten Label nur eine zusätzliche, fast unlösbare Herausforderung mit wenig positivem Effekt. Der Bauernverband hat Vorschläge gemacht, wie ein Tierwohllabel umgesetzt werden könnte und dabei insbesondere wegen der sehr hohen Haltungsstandards in Deutschland betont, dass die Herkunft als Qualitätsmerkmal mit integriert werden muss und vor allem der gesamte Produktionsablauf von Geburt bis Verarbeitung aufgenommen ist. Diese Vorschläge sind leider nicht umgesetzt worden, so ist nun ein halbfertiges Gesetz entstanden, das überwiegend zur Verwirrung und Kostensteigerung beiträgt.

Und soviel ist klar: Aus eigener Kraft können und werden die Bauern die extremen Investitionen nicht stemmen können. Selbst wenn genug Geld vorhanden wäre (man spricht jährlich von rund 3-5 Mrd. Euro für die Umstellung), würden sich die Bauern gut überlegen, ob sie angesichts der langen Investitionszeiträume in der Landwirtschaft von rund 25-30 Jahren tatsächlich in Millioneninvestitionen einsteigen sollen, die nachweisbar weder einen höheren Marktpreis, sondern sogar aufgrund der vorgegebenen geringeren Tierzahlen im Stall zu Umsatzrückgängen führen werden. So wird das nichts! Dem weiteren Rückgang der Schweinehaltung sehen wir voller Besorgnis entgegen."

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