Die Abschaffung der Milchquote ist Fakt - daraus ergeben sich Chancen

Wie sehen die Strategien für Hohenloher Milchbauern angesichts der Quotenbeschlüsse der Europäischen Union aus ?


Die Landwirte Daniel Kießecker und Fritz Jäger, Marktspezialist  Richard Riester von der LEL Schwäbisch Gmünd und der Milchexperte der Europäischen Union Martin van Driel referierten auf hohem Niveau, und diskutierten zum Teil kontrovers. 


Foto: EU - Milchexperte Martin van Driel, mitverantwortlich für die EU Quotenpolitik und die Gestaltung des Zeitraums bis zum Auslaufen im Jahr 2015


Am Ende von 3 1/2 Stunden hoch informativen Beiträgen und spannender Diskussion war aber den meisten der rund 300 Bauern in der Julius Weber Halle in Kupferzell klar: Die Quote ist fast schon Geschichte und hat bereits heute keine preisgestaltende Wirkung . Die EU - Kommission zieht sich von Marktgestaltung zurück: Zukunftsfähig  ist nur konsequentes Kostenmanagement und die Vermarktung über leistungsfähige Molkereien.

Quotenfortführung als Lösung ? - Kostenoptimierung als Chance ?


Während Daniel Kießecker, ehrenamtlich als Delegierter des European Milkboard (EMB) die Lösung darin sah, die Menge solange zu begrenzen, bis ein Preis in Höhe der von ihm auf 43 ct je kg Milch angesetzten Vollkosten erreicht war, setzte Fritz Jäger, Vorstand im Bauernverband Schwäbisch Hall - Hohenlohe - Rems und Bundessprecher des Netzwerks Unternehmen Milch ausschließlich auf unternehmerisches Handeln und Kostenoptimierung.


Kießecker zweifelte in seinem Statement den Quotenausstieg massiv an. Um die Quote sei immer gestritten worden, in 30 Jahren seien immer wieder Verlängerungsbeschlüsse gefasst worden. Die Quote sei nicht tot. Mit einer Verlängerung sei zu rechnen. Darüber hinaus: "Wenn die Milchquote richtig angewandt worden wäre, hätte sie auch für einen höheren Milchpreis sorgen können."  Kießeckers klare Aussage: "Derzeit gibt es keine Perspektive für Milchproduktion in Deutschland." Wer etwas anderes behaupte, belüge sich selbst.


Ganz anders Fritz Jäger. In seinen Ausführungen über seinen eigenen Betrieb stellte er klar, dass er in den letzten 25 Jahren schon oft scheinbar hoffnungslose Situationen erlebt habe. Mit 18 Kühen und 50000 kg 1983 gestartet, milkt er heute über 100 Kühe mit einem Stalldurchschnitt von 10500 kg. Die gesamte Quote habe er mühevoll kaufen müssen. Er habe aufgrund seiner schwierigen Ausgangslage nur eine Chance: In die Spitzengruppe der Produktionstechnik zu kommen.  Jäger sieht positiv in die Zukunft: Die variablen Kosten je kg Milch seien überall vergleichbar - entscheidend sei nicht, wie groß ein Betrieb sei, sondern, wieviel kg Milch von einer Arbeitskraft ermolken würde. Hier sei der Schlüssel zur Wettbwerbsfähigkeit zu finden.  Jäger sieht im nationalen und internationalen Kontext gute Chancen für die Hohenloher Milchbauern. Anstatt die schlechte Preissituation zu bejammern, gehe es darum, einzelbetrieblich vorne mitzuspielen und den Vermarktungspartner, sprich die Molkerei zu fordern, dass die Milch optimal vermarktet werde und damit eine möglichst hohe Wertschöpfung verbleibe.


Die Experten: Chancen überwiegen - Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Betriebe ist gut !


Richard Riester von der LEL Schwäbisch Gmünd stellte die Marktsituation dar. Auch der Milchmarkt sei geprägt von der Weltwirtschaftskrise. Fehlende Kredite haben als Folge, dass Läger nicht mehr gefüllt würden. Der für die Europäische Milchwirtschaft dringend erforderliche Export sei ins Stocken geraten, die hohen Milchpreise des Vorjahres hätten zu Verbrauchseinschränkungen geführt. Diese Situation sei aber eine Momentaufnahme. Weltweit sieht Riester durch die Zunahme der Weltbevölkerung durchaus Chance auf mehr Absatz und damit auch auf auskömmliche Preise.


Riester bestätigte die Feststellung Fritz Jägers bezüglich der Kostensituation: In einem 85 Kuh Betrieb haben wir weltweit fast die gleichen variablen Kosten. Das Problem liegt aber in den Fixkosten. Hier spielen in Deutschland die Quotenkosten eine erhebliche Rolle.  Riester gesteht den Baden Württembergischen Betrieben mit 70 - 100 Kühen sehr gute Wettbewerbsfähigkeit zu. Allerdings werde ein verstärkter Strukturwandel erfolgen bis von durchschnittlich 29 Kühen ein großer Teil der Halter bei den größeren Beständen angelangt seien. Man müsse sich aber durchaus auch fragen, ob überhaupt genügend Mlchviehhalter übrig blieben, um den Bedarf zu decken.


van Driel: "Die Quote ist Geschichte: Nutzen Sie die Chance der Übergangszeit ... !"


In einer an Deutlichkeit nicht zu überbietenden Darstellung der Politik der Europäischen Kommission nahm Martin van Driel all denjenigen, die immer noch an einen Fortbestand der Quote geglaubt hatten, sämtliche Illusionen: "Im Wortschatz der Kommission kommt das Wort Rücknahme der Quotenbeschlüsse nicht vor !" Die Kommission habe nach den Beschlüssen über die Abschaffung der Milchquote aus dem Jahr 2003 zwei Möglichkeiten gehabt, das Quotenende im Jahr 2015 zu gestalten. Sie hätte nichts tun können, dann hätte es im Jahr 2015 die absolute Katastrophe gegeben oder - und dies wurde dann beschlossen - man konnte sich für die sogenannte weiche Landung entscheiden.


Van Driel gab zu, dass der Begriff  "Weiche Landung" vielleicht falsch gewählt war, inhaltlich gab es aber keine vernünftige Alternative: In der verbleibenden Zeit sollten die Quoten nach und  nach ausgeweitet werden, um die plötzliche Milchmengenausdehnung zu verhindern. Bisher sei das Marktverhalten völlig im Plan, wenn man davon absieht, dass nach dem Wegfall der Intervention seit dem Jahr 2004 der Milchpreis entgegen den Erwartungen nicht auf rund 21 ct gefallen, sondern bei rund 27 ct stabil geblieben und während der Rohstoff-Hausse im Jahr 2008 auch dieser gefolgt sei.


Van Driel zeigte auf, dass bereits heute die Europäische Quote nicht mehr beliefert würde und damit auch keinen Preiseffekt mehr habe. "Sie müssen doch nicht Ihre Quote ausschöpfen - Sie können auch weniger liefern !" rief er den Bauern zu. Diese hörten dies recht ungläubig, mussten sich aber belehren lassen, dass im wesentlichen nur einige Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland ihre Quoten ausnutzen und fast alle anderen EU Staaten zum Teil massiv unterliefern. Derzeit wird die europäische Quote um rund 2,2 Mio t unterliefert. Trotzdem gibt es einen Überschuss an Milch, weil die Nachfrage eingebrochen sei.


"Ich sage Ihnen 100 % ig, dass es für die Quote keine Zukunft gibt, reagieren Sie darauf, sie haben noch 6 Jahre Zeit. Solange hatte keine andere Gruppe." ließ van Driel keinen Zweifel.


Auf die Frage, ob die vorgesehene Nachbewertung der Quotenbeschlüsse vom November im Jahr 2010 und 2012 nicht doch zu einer Aussetzung der beschlossenen Quotenerhöhungen kommen könnte reagierte van Driel mit Unverständnis und eindeutig: " Wenn der völlig unwahrscheinliche Fall einträte, dass der Milchpreis 4  Jahre lang bei 21 ct bleiben würde, müsste die Kommission zum Ergebnis kommen: Wir haben alles richtig gemacht, es geht doch ! Die Bauern passen sich an !" Die Nachbewertung kann für van Driel nur eine Frage aufwerfen: Ist es notwendig, die Quoten im Sinne der weichen Landung vor Ablauf in 2015 noch einmal zusätzlich aufzustocken. Eine Aussetzung der Aufstockung sei dagegen völlig abwegig.


Die anschließende Diskussion war geprägt von Verständnisschwierigkeiten und Unglauben einiger Anwesender. Obwohl sowohl der Vertreter der LEL als auch der EU-Experte mit Engelszungen versuchten, die Beschlusslage zu erläutern konnten die Diskutanten nicht überzeugt werden. Einige dem BDM angehörende Redner versuchten immer wieder die Weiterführung der Quote zu beschwören und forderten zu einseitigen Mengenrückführungen auf. Ein Konzept, wie dies ohne staatliche Einflussnahme geschehen soll, wurde nicht genannt.


Van Driel machte aber am Rande seiner Ausführungen deutlich, dass er damit rechnet, dass aufgrund von Länderinitiativen die Intervention von Butter und Magermilchpulver wieder etwas gelockert würde. Über den Zeitpunkt ließ er sich dagegen nicht aus, wohl aber über die Höhe der Preisstützung: "Gehen Sie davon aus, dass wir nur unterhalb von 21 ct je kg Milch intervenieren !"




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