Hier schafft die Maus!

Karl Müller aus Schönenberg ist Chef der Landwirtschaftlichen Maschinengemeinschaft der Zuckerrübenanbauer (LMZ). Die Genossenschaft arbeitet in Eigenregie und als Verbund von 760 Landwirten auf 4540 Hektar. Das ist mehr als ein Viertel der Rübenflächen von Baden-Württemberg mit stattlichen 16.800 Hektar. Im Raum Schwäbisch Hall mitsamt dem Altkreis Crailsheim haben sich dafür 129 Rübenanbauer mit gesamt 560 Hektar Acker für die allherbstliche Rhode – Abfuhr – Ladekampagne der Zuckerrüben zusammengetan. Die Rübenbauer organisieren sich dafür jedes Jahr selbst, zusammen mit den Lohnunternehmen der jeweiligen Region.

Die Kampagne und damit die Ernte der Zuckerrüber ging in diesem Jahr 2020 genau 100 Tage lang. Sie begann Mitte September, wie jedes Jahr mit der Ernte der Biozuckerrüben. Danach wird alles umgestellt und die Ernte der konventionell angebauten Rüben beginnt, die dann bis zum 19. Dezember ging. „Das ist mein Wohnzimmer im Herbst“, gesteht Karl Müller. Er ist oft auf der sogenannten Verlademaus zu finden, die als selbstfahrende Arbeitsmaschine die Rüben von einem der Rübenhügel an den Feldrändern, den Rübenmieten, aufnimmt, reinigt und in den gewaltigen Hänger eines LKW` s transportiert. Diese belädt die Zugmaschine mit Auflieger, so der Fachbegriff, exakt nach Gewicht. Alle Daten, wie auch die Zuordnung zum jeweiligen Landwirt, der An- und Abfahrtsweg werden via Transponder von der „Maus“ direkt auf ein Tablet im LKW und damit zum Fahrer übermittelt. „Heute geht meine Schicht wieder von 15 Uhr bis 1 Uhr nachts“, in der er oftmals sehr viel am Telefon hängt und koordiniert, wie Karl Müller zugibt. Die ganze Kampagne wird von der LMZ ohne festangestellte Mitarbeiter organisiert. Geschäftsführender Vorstand und Aufsichtsrat samt Vorsitzenden teilen sich, neben der Arbeit auf ihren Höfen, in die Aufgaben. Straßensperrungen und Staus sind aktuell zu berücksichtigen, Arbeitsschutzgesetze sind einzuhalten. Bei Schnee gibt ein Stopp: Die Sicherheit für Fahrer und die schweren, großen Fahrzeuge geht vor. Für die LMZ-Franken sind fünf Rodemaschinen, zwei Verlademäuse und 18 Sattelzugmaschinen unterwegs. Und zwar von der Gegend um Neckarelz bis zur Bayrischen Grenze und von Westheim bis Walldürn im Neckar-Odenwald-Kreis. Das sind Anfahrtswege von 15 bis 105 Kilometer bis zum Werk in Offenau bei Heilbronn. Allein beim Chef kommen 40 bis 50 Wochenstunden auf der Verlademaschine, also der „Maus“, zusammen.  

 

 

13500 Tonnen Rüben für die Tagesleistung des Zuckerwerkes müssen immer bereit liegen. Die ganze Kampagnenzeit über sind für die LMZ 140 Fahrer in Teams von jeweils fünf bis acht Kollegen mit den großen Fahrzeugen auf den Straßen für den Abtransport der Rüben in die Zuckerfabrik bei Heilbronn unterwegs. Und zwar sechs Tage die Woche, jeweils 24 Stunden, rund um die Uhr. „Das funktioniert sehr oft sehr gut“ erklärt Landwirt Müller. 80% sind Landwirte, die das nebenher machen und 20% sind Familienmitglieder, die teils ihren ganzen Jahresurlaub dafür nehmen. Nach dem Entladen tauschen die Fahrer der „Maus“ und der LKW` s wiederum die neuen Koordinaten aus, um immer auf dem besten Weg zur nächsten Abholung unterwegs zu sein. Pro Fahrzeug kommen da gut 6000 Kilometer pro Woche zusammen. „Wir arbeiten schon lange digital und ohne Papier“, schmunzelt Fahrer Karl Heinz Baumann aus Neuenstein am Kocher. Kurze Transportwege sind den Verantwortlichen der LMZ ebenso wichtig, wie auch die Tatsache, dass sie nachts und am Wochenende möglichst nicht in der Nähe von Siedlungen arbeiten. „Wenn die ersten Rüben in den Hänger fallen, poltert es leider schon gewaltig“, erklärt Müller. Ihm ist es wichtig, diese Geräuschbelästigung so gering wie möglich zu halten. Er bittet dafür trotzdem um Verständnis, auch weil diese Arbeit auf den Herbst begrenzt bleibt. Zudem weiß er, dass es Fußgänger, Jogger und Radfahrer auf den landwirtschaftlichen Feldwegen schon erschreckt, wenn ihnen so ein großes Gefährt entgegenkommt. „In diesem Jahr 2020 sind deutlich mehr Mitmenschen auf unseren Wegen unterwegs als sonst. Alle Fahrer sind angehalten, auch mal anzuhalten und auszusteigen, das Gespräch zu suchen, soweit die Zeit das zulässt. Wir haben einfach keine andere Möglichkeit, die Rüben abzutransportieren. Regionalität heißt eben auch: Fahren auf den Transportwegen in der Heimat Hohenlohe“, wirbt Karl Müller.     

 

 

 

Es wirkt wie ein Wettlauf mit der Zeit. „Jetzt zählen wir die Tage rückwärts bis zum 4. Advent“, berichtet Karl Müller Anfang Dezember. Da ist noch eine ambitionierte Anzahl von 2300 Fuhren zu fahren. Denn ungeschützte Rüben, also ohne Abdeckung mittels Vliese, sind sie nur eine begrenzte Zeit am Feldrand lagerfähig. Kommt der Frost, werden sie schwarz, weil sie erfrieren. Damit wären sie für die Produktion von Zucker verloren. Geht eine Kampagne mal bis in den Januar, auch das kommt vor, braucht es einen sogenannten Mietenschutz. In 2020 sind die Erträge nach Regionen zwar schwankend unterschiedlich, aber fast überall unterdurchschnittlich. Die Gründe sind zum einen die Trockenheit im Frühjahr – dadurch ging die Saat sehr spät auf und es wurde nun rund 15% weniger geerntet. Zum anderen waren da die unregelmäßigen Niederschläge über die Wachstumsphasen hinweg – dadurch ist der Zuckergehalt mit 16 bis 17%, geringer als sonst mit 18%.

 

   

 

Warum überhaupt die Straße für den Abtransport der Zuckerrüben nutzen? Bis 1987 war es üblich und selbstverständlich, die Rüben mit Fuhrwerken bis zum Bahnhof, wie z.B. in Sulzbach oder Kupfer, und dann auf der Schiene zu transportieren. Die Deutsche Bahn hat das Geschäft vor mehr als 30 Jahren jedoch aufgegeben und die Landwirte haben auf die Straße umstellen müssen. Dafür wurden die Rübenmaschinen-Gemeinschaften, wie die LMZ Hohenlohe-Franken im Jahr 1988, gegründet. „Aber: Wenn wir Regionalität wirklich wollen, müssen wir auch in Zukunft hier Zuckerrüben anbauen und zur Fabrik transportieren. Wir können uns die landwirtschaftlichen Feldwege gut teilen und nicht darauf warten, wer zuerst nachgibt“, sagt Karl Müller aus Erfahrung.        

 

                              

Zurück

files/bauernverband/hintergruende/Trecker_Getreidefeld.jpg