Vermarktung gehört einfach dazu.

Wie werden unsere Höfe erfolgreich in die Zukunft geführt? Welche Formen der Direktvermarktung, der Kooperation und Wege gibt es? Was wird aus den Gebäuden und wie stellen insbesondere junge Landwirte sich auf die geforderten Tierwohl-Kriterien ein? Ein gutes Beispiel ist der Hof der Geschwister Eva und Mareike Bullinger in Werdeck / Rot am See. Die ‚Gute Pute‘ hat sich in Hohenlohe und darüber hinaus bereits einen Namen gemacht. Aber was steckt dahinter? Wovon lebt der Hof mit den vier Generationen – auch in Zukunft? Was bewegt die zwei jungen Landwirtinnen als Betriebsleiter aktuell und wie stellen sie sich ständig neu auf?        

„Das ist schon mein ganzer Stolz, weil alles selbstgemacht ist. Schnitzel, Steak, Gyros und Würste“, sagt Mareike Bullinger vom ‚Gute-Pute-Hof‘ in Werdeck bei Rot am See vor ihrem Verkaufsautomaten am Hofeingang stehend. Mit erst 27 Jahren, einem Studienabschluss als Agrarwirtschaftlerin und mit viel Liebe für den elterlichen Hof und seine Tiere, weiß sie genau was sie will. Nach dem Studium hat sie sich überlegt, dass sie gern auf dem Hof der Familie arbeiten will. Da war die Arbeit mit den Puten schon naheliegend, denn seit 1988 gibt es diese hier. Aktuell noch mit 3000 Puten in einem großen Stall. „Aber das ist gerade der letzte Durchlauf – dann bauen wir um“, erklärt sie. Zukünftig wird es vier ‚Abteile‘ mit nur je 400 bis 600 konventionell gehaltenen Tiergruppen – also keine Bio-Puten – und zeitversetzen Durchläufen geben. Der zeitliche Versatz erlaubt den Landwirten von der Kapazität her, zukünftig alles selbst zu schlachten und selbst zu vermarkten. Kleiner, aber feiner – so kann die von beiden Schwestern geführte ‚Gute Pute‘ GbR die hohe Qualität ihrer Produkte gewährleisten.

 

 

 

Den Schritt wagen und das ‚System‘ auf mich abstimmen. „Von Anfang an war das mein Ziel und ich will es jetzt probieren. Nach dem Studium habe ich ein Jahr lang auf einem Direktvermarktungs-betrieb gearbeitet und mir überlegt, wie ich ohne Großvermarkter die Wertschöpfungskette direkt auf unserem Hof schließen kann. Es fällt dabei schon Umsatz weg, aber die Wertschöpfung pro Tier ist höher, das gleicht es aus. Bis hierher hat sich alles gut entwickelt und nun wagen wir es“, freut sich Mareike Bullinger, als eine von drei erwachsenen Töchtern der Familie. Zwei davon, Eva und eben Mareike, arbeiten und leben auf dem Hof – zusammen mit den Eltern. Insgesamt neun Arbeitskräfte in Voll- und Teilzeit arbeiten im Betriebszweig ‚Gute Pute‘ – auch Mutter Irmtraud. Geschlachtet wird jeden Samstag, dienstags und donnerstags werden 25 umliegende Hofläden in den Kreisen Schwäbisch Hall und Hohenlohe frisch beliefert. Freitag hat der eigene Hofladen geöffnet. „Direktvermarktung ist schon sehr, sehr arbeitsintensiv. Aber wenn ich freitags im Laden stehe und den Kunden aus einem Umkreis von rund 30 Kilometern unsere guten Lebensmittel verkaufen kann, macht es mir großen Spaß“, so die junge Landwirtin. Genauso wichtig ist ihr, als Erzeuger mit Verbrauchern direkt ins Gespräch zu kommen und herauszufinden, was diese schätzen. Um das alles zu verwirklichen, haben die Landwirte Bullinger ‚megagroße Hürden‘ genommen, wie sie selbst sagen, und viele Rückschläge eingesteckt. Sie empfanden das, auf die Industrie zugeschnittene Zulassungsprocedere nach EU-Recht, zum Beispiel für die Produktion der eigenen Wurst, für ihren Handwerksbetrieb geradezu als ‚brutalen Akt, wo auch mal Tränen flossen.

 

 

 

Es ist unser Ziel, dass wir wirtschaftlicher arbeiten. So wurde 2018 ein neuer und erweiterter Milchviehstall mit Melkroboter eröffnet, der 2016 geplant, 2017 gebaut und 2018 von 70 Milchkühen samt weiblichen Nachwuchs bezogen wurde. Den verantwortet Eva Bullinger, 29 Jahre jung. Ihr Vater Gerhard und der Azubi helfen ihr dabei, alle zwei Tage 4000 Liter Milch von der Molkerei Crailsheim abholen zu lassen. „24 Stunden am Tag werden unsere Tiere gemolken. Das mit dem Melkroboter zu machen, ist für unseren Betrieb arbeitswirtschaftlich ‚top‘. Sonst wären 2-3 Leute gebunden. So sind wir viel flexibler, um einander zu helfen“ erklärt die Landwirtschaftstechnikerin. Ihr einjähriger Sohn Elias geht schon in den die KiTa, aber ab Mittag kann sie ihn ‚nebenher‘ schlafen legen und betreuen – auf Arbeit zuhause eben. Der neue Stall hat einen großen, sogenannten Laufhof, quasi einen Balkon ins Freie und sowieso eine immense Fläche: „Wir haben in unserem Stall deutlich mehr Platz als vorgeschrieben. Dazu der Laufhof. Es ist uns sehr wichtig, dass es den Tieren gut geht. Aber uns muss es eben auch gut gehen“, betont Eva Bullinger.      

 

 

 

Kann und will der LEH uns diese Preise zahlen? Die beiden taffen Frauen sind nachdenklich gestimmt, wenn sie über die aktuellen agrarpolitischen Themen und Anforderungen sprechen. „Will man uns Tierhalter noch zur Versorgung der Bevölkerung? Milch ist schließlich Milch, die kann auch von woanders herkommen“, wissen die Landwirtinnen. Sie wissen auch, dass es europäische Nachbarländer wie Frankreich gibt, wo das schon so ist. Zudem gehen die Baupreise auch hier ‚durch die ‚Decke‘, sodass tierwohlgerechte Umbauten über die Preise der Lebensmittel umgeschlagen werden müssten. Eva und Mareike Bullinger fragen sich besorgt – wie so viele junge Landwirte: Werden der Handel und die Verbraucher das rechtzeitig erkennen? Sie sind trotzdem sehr positiv eingestellt und Mareike Bullinger sagt, stellvertretend für eine neue Generation in der Landwirtschaft: „Sowas“, sie zeigt tatkräftig und fröhlich auf den Familien-Hof und die Direktvermarktung der ‚guten Pute‘, „gefällt mir!“     

 

 

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