Bericht vom Digitalen Fachgespräch Milch 2022

„Milcherzeugung zwischen gesellschaftlichen Anforderungen und den Vorgaben des Lebensmitteleinzelhandels“ mit den Online-Gästen Dr. Hans-Jürgen Seufferlein, Geschäftsführer des Milcherzeugerverbandes Bayern und Martin Boschet, Geschäftsführender Vorstand der Hohenloher Molkerei, am 11. Januar 2022 ab 20:00 Uhr. Weitere Gäste von den Landratsämtern und der Presse waren zugeschaltet.

Entwicklungen am deutschen Milchmarkt – zwischen gesellschaftlichen Anforderungen und den Vorgaben des Lebensmitteleinzelhandels

Strukturwandel setzt sich fort und betrifft insbesondere die Erzeugerebene. Die Milcherzeugung ist der wichtigste Produktionszweig der deutschen Landwirtschaft und die deutsche Molkereiwirtschaft die größte Branche innerhalb der deutschen Ernährungsindustrie. Die Zahl der Milchbetriebe ist kontinuierlich, vornehmlich im Generationswechsel, zurückgegangen. Diese Entwicklung wird sich auch weiter fortsetzen. Gleichzeitig ist die Zahl der Milchkühe je Halter kontinuierlich gestiegen, was bedeutet, dass die Produktionskapazitäten der aufgebenden Betriebe von den Wachstumsbetrieben übernommen werden. Ein Konzentrationsprozess ist auch bei den Molkereien zu verzeichnen. Dazu und über die geplanten Entwicklungen zu den Haltungsformen eins bis vier, auch für Milchviehhaltern, gibt das ‚Digitale Fachgespräch Milch 2022‘ des Bauernverbandes Schwäbisch Hall – Hohenlohe – Rems einen aktuellen Überblick.

Milcherzeugung zwischen gesellschaftlichen Anforderungen und den Vorgaben des Lebensmitteleinzelhandels. 110 Online-Teilnehmer, zwei Gastreferenten und die Vertreter der Landratsämter und der Presse werden vom Vorsitzenden Jürgen Maurer herzlich begrüßt. Dr. Hans-Jürgen Seufferlein, Geschäftsführer des Milcherzeugerverbandes Bayern, fasst die Situation gleich zu Beginn zusammen: „Milchtrinken ist nicht so sehr im Trend wie der Genuss von verarbeiteten Produkten, zum Beispiel Käse oder Joghurt“. Aus seiner Sicht hat sich der Markt im Moment beruhigt, wobei die globale Milcherzeugung kontinuierlich steigt. Er vermutet, dass weltweit der Höchststand von Milcherzeugern überschritten ist und der Strukturwandel sich weiter verstärkt. Denn, einerseits gibt es starke Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit und andererseits steigen die Produktionskosten, zum Beispiel durch hohe Energie- und Rohstoffpreise. Beides erfordert teils komplexe Investitionen in Ställe und Anlagen. Dem gegenüber stehen große Unsicherheiten für die Landwirte bezüglich der politischen Entscheidungen. Er sagt: „Aktuell haben wir den höchsten Milchpreis seit 2018 mit steigender Tendenz. Das ist gut für die Milchbauern. So diskutieren wir heute nicht – wie sonst – hitzig über die Preise. Wir diskutieren über Haltungsformen und deren Kennzeichnung für Molkereiprodukte. Wir wissen, alle – von Politik über Gesellschaft bis zum Verbraucher - fordern sehr viel. Lassen Sie uns darüber diskutieren, wie unsere Milchbauern das alles schaffen können“. Schlussendlich steht das Qualitätssicherungsprogramm ‚QM Milch e.V.‘ aus seiner Sicht für höchste Qualität und Transparenz. Das meint konkret auch: Für mehr Tierwohl, welches nur über höhere Preise für die Kunden finanziert werden kann. Auch das spaltet aus Sicht von Referent Dr. Hans-Jürgen Seufferlein die Milchbauern in Gegner und Befürworter und lässt ihn nicht mehr an eine ‚gemeinsame Linie‘ glauben.   

 

Preise für Milchprodukte rücken in den Fokus. Martin Boschet, Geschäftsführender Vorstand der Hohenloher Molkerei, hingegen, lässt ganz bewusst keine negative Stimmung aufkommen. Er erinnert daran, dass der neue Landwirtschaftsminister auf Bundesebene, Cem Özdemir, sich als Anwalt der Landwirte sieht. Martin Boschet stellt die provokante Frage, welche Bedeutung Marken eigentlich noch haben, wenn im Lebensmitteleinzelhandel selbst bei namhaften Herstellern bis zu 50%ige Preisnachlässe möglich sind. An dieser Stelle macht er, als Verantwortlicher u.a. für tägliche Preisverhandlungen, der Runde der online Teilnehmenden klar, dass der Preis für Milchprodukte im Warenregal und der Preis, für den die Molkereien ebendiese Produkte an den Lebensmitteleinzelhandel (LEH) verkaufen, nichts miteinander zu tun haben. Das ist nicht nur für Landwirte schwer zu verstehen und facht die Diskussion im Anschluss an. Konkret kann er die positive Nachricht an die Milchbauern der Region geben, dass die ‚Hohenloher Molkerei e.G.‘ mit Sitz in Schwäbisch Hall, für April und Mai diesen Jahres 46,9 Cent als Abnahmepreis pro Liter zusichern kann. Als Vergleich: Der Preis für ein Kilogramm Milch lag im Oktober 2021 bei durchschnittlich rund 39,2 Cent, den die abnehmenden Molkereien an die Milchbauern zahlten. Geschäftsführer Boschet betont: „Wir sind sicher, dass wir als regionale Molkerei unseren Erzeugern das bieten können“. Die 110 vorwiegend Milchbauern an den Bildschirmen und Mikrofonen hören das sehr gern. „Wir leben den Genossenschaftsgedanken“, erklärt Boschet weiter. „Wir entscheiden und bearbeiten die Themen gemeinsam, im Team und in den Gremien. Wir werden an den neuen Haltungsformen und den sehr hohen Energiepreisen nicht verzagen. Wir investieren, bauen und stellen auf alternative Energieformen um. Wir versuchen immer wieder, Handelspartner in der Region zu finden, die unsere Produkte aus regional erzeugter Milch abnehmen. Wir machen den Standort fit für die Zukunft“, so der Geschäftsführer der Hohenloher Molkerei. Der Beweis, dass er damit auf dem richtigen Weg ist, wird auch durch die Tatsache erbracht, dass die Molkerei nach wie vor neue Lieferanten, sprich Milchbauern, gewinnen kann, die dafür nicht mehr an andere Molkereien liefern. Er vertraut darauf, „dass genügend Landwirte nach vorne schauen und zu uns nach Hall kommen“.

 

Helmut Bleher, als Geschäftsführer des Bauernverbandes und Gastgeber der Online-Veranstaltung, vertieft nach den zwei Gastrednern die Diskussion über Marktmechanismen, Möglichkeiten und Risiken für die Milch produzierenden Mitgliedsbetriebe. Bleher betont, dass die Probleme der Landwirte auch den Verband belasten und fordert zum regen Austausch auf. Er schließt damit, dass Vorgaben an die Haltungsformen auch realistisch umsetzbar sein müssen und dies nicht ‚von heute auf morgen‘ geht. Dazu passen die Schlussworte des Vorsitzenden Jürgen Maurer, der große Hoffnung in die politischen Gesprächspartner legt. Er setzt darauf, dass möglichst viele der von der berufsständischen Vertretung eingebrachten Themen umgesetzt werden.    

    

 

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