Blaumohnfelder in Hohenlohe. Nutzpflanze oder Fotohintergrund?

Manchmal stehen sie auch selbst ‚nur so‘ in ihrem Feld: Familie Sieglin aus Ruckhardtshausen. Breite Fahrgassen dienten als Wege durch den fast abgeblühten Blaumohn. Der Boden ist ausgetreten von vielen Besuchern im Sommer. Wieso das? „Es war wirklich eine Gradwanderung“, sagt der Senior Wolfgang Sieglin zu den bis zu 200 Fahrzeugen pro Tag, die ihre Felder mit Blaumohn während der Blütezeit besucht und durchstreift haben. Spaziergänger und Fahrradfahrer noch nicht mitgerechnet.   

Anbau von Backmohn als Projekt, diese Kulturpflanze hier wieder anzusiedeln. Die Landwirtsfamilie Sieglin teilt diese Freude am Anblick der attraktiven und ursprünglich heimischen Frucht sehr gern und betont: „Wenn die Besucher auch im nächsten Jahr kommen, begegnen wir ihnen positiv und erlauben den Zutritt über die Fahrgassen. Das Mohnfeld können wir ja sowieso nicht einzäunen“, erklären sie. Fahrgassen sind die vorhandenen und nicht bewachsenen Fahrspuren der Traktoren. Offiziell gilt natürlich auch hier das Betretungsverbot für landwirtschaftliche Nutzflächen. Doch die Mehrheit der ‚Mohn-Touristen‘ ist rücksichtsvoll, wie die Sieglin’s bestätigen. Gleichwohl gab es Situationen, in denen sie eingriffen. So gab es beispielsweise professionelle Fotoshootings im Abendlicht, die sich bis in den Privatgarten der Familie ausdehnten. Profi-Fotografen mit voller Ausrüstung, Requisiten, Bräute und ganze Großfamilien standen dafür im Acker. „Als Kulisse für gewerbliche Fotografie, wie Hochzeitsfotos oder gar Aktfotos soll es bitte nicht dienen“, betonen die Eigentümer der Felder in Ruckhardtshausen.

 

     

 

Feldrandschilder für mehr Information und Wissen. Stattdessen wollen sie die Besucher gut informieren und bitten, dass sie zum Beispiel in den Fahrgassen bleiben und keinen Müll hinterlassen. Auch ohne Schaden anzurichten, kann man den besonderen Anblick genießen und sich zeitgleich schlau machen. Neben den reinen Verhaltensregeln wurden Informationstafeln zum Mohnanbau und der Initiative „Blütenkorn“ aufgestellt. Die Zeit und Möglichkeit für dieses Engagement verdanken die Landwirte Sieglin auch der Tatsache, dass sie schon vor fast 30 Jahren eine sogenannte Vollkooperation mit anderen Höfen eingegangen sind. 2016 wurde die ursprüngliche Betriebsgemeinschaft (BG) mit dem Namen ‚Sieglin-Melchior-Ehmann‘ ein Teil der BG Neuhof. Das heißt: Mehrere Betriebe sind zusammengelegt, Gewinne und Verluste werden geteilt. Der Hof Ruckhardtshausen umfasst rund 30 Hektar Wald und 100 Hektar Ackerland. Auf 35 Hektar davon wuchs in diesem Jahr der attraktive Blaumohn. Er wird Ende Juli bis Anfang August geerntet und ist dann ganz trocken - der Fachmann sagt ‚abgereift‘, sodass man ihn gut mit dem Mähdrescher ernten kann. Der Versuch, diesen hier wieder heimisch zu machen, ist nicht einfach zu realisieren. Aber er stellt eine Nische im Markt mit – mit Chancen und Risiken dar. Darüber, sowie über Anbauverfahren und besondere Kulturen, informieren aufgestellte Feldrandschilder. So ist hier auch zu lesen, dass die ‚BG Neuhof‘ gemeinsam mit der ‚Möhnsheimer Mühle‘ und der Uni Hohenheim das Projekt „Blütenkorn“ gestartet hat. Bei „Blütenkorn“ Getreide werden streifenweise Blühmischungen in die Felder gesät, um damit Nützlingen im Feld zu fördern. Geplant ist weiterhin ein Lehrpfad für die Höfe der Betriebsgemeinschaft ‚Neuhof‘. Alles mit dem Ziel, die Öffentlichkeit besser über die Arbeit in der Landwirtschaft zu informieren. Das geht fast nur gemeinsam.

 

 

 

Landwirtschaft im Nebenerwerb. „Ich war heute früh noch in Serbien“, bemerkt der junge Nebenerwerbslandwirt Samuel Sieglin gleich zum Start. Er hat Maschinenbau studiert und arbeitet weltweit für eine regionale Firma der Landtechnik im Feldversuchswesen. Demnächst wechselt er dort ins Produktmanagement. „Die Hofübergabe läuft“, erklärt die Familie, der auch Andrea, als Frau von Senior Wolfgang und Julia, als Frau von Samuel Sieglin angehören. „Wir standen auch vor der Frage, was machen wir aus den alten Gebäuden“, erklären sie weiter. „Ferienwohnungen und Seminarräume waren eine Möglichkeit. Diese Umnutzung ist nun beantragt“. Auf die Frage, ob es noch Tiere auf dem Hof gibt, antwortet Senior Wolfgang verschmitzt: „Regenwürmer und Hunde - die pflegen wir gut. Denn Regenwürmer sind die Lieblinge aller Landwirte. Sie lockern den Boden und setzen organische Stoffe um.“ Er macht sich stark für seine Kollegen und deren Arbeit und weiß, dass die meisten Bauern gut nach dem Boden schauen. „Wenn ich durchs Land fahre, sehe ich, dass immer mehr Felder top-in-Schuss sind. Das sieht man einfach und dazu gehört, meiner Meinung nach, ein lebendiger Boden.“ „Ohne Beregnung“, meint der erfahrene Landwirt weiter, „hat man nur EINE Möglichkeit zu säen. Da muss jede Maßnahme sitzen“. Der Mohn ist eine sensible Pflanze und zeigt Boden-Unterschiede sehr stark. So hat eine Hälfte des Feldes schon geblüht, als die andere noch nicht so weit war. In Summe hat es aber gestimmt bei der Ernte. „Es gibt endlos viele Patentrezepte aber eins steht fest: Die wenigen Landwirte, die übrig sind, sind richtige ‚Käpsele‘“, freut sich Wolfgang Sieglin stolz.           

 

 

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