Bilanz 2020: Das Leben der Wildtiere gemeinsam im Blick.

 

Der Bauernverband und die Jägervereinigung Schwäbisch Hall setzen sich das Ziel, das Miteinander zum Wohl der Tiere und noch stärker abzustimmen. Die Kreisjägermeisterin Julia Winterfeldt und die stellvertretende Geschäftsführerin und Verbandsjuristin Shanna Dshunussowa führten ein erstes Gespräch, um die Landwirte und die Jäger der Region zukünftig noch besser unterstützen zu können. Beispielgebend ein Bericht von einer Mission auf der Falkert-Höhe bei Suhlburg / Untermünkheim mit den Jägern Walter und Reiner Frank auf einem Acker mit Grünroggen. 

Es ist wie ein Wettlauf gegen die Zeit im Morgengrauen: Seit Anfang Mai diesen Jahres sind Walter und Philip Frank aus Hollenbach in den sehr frühen Stunden vieler Tage ehrenamtlich unterwegs, um Tiere zu finden, zu schützen und wieder frei zu lassen. In Abstimmung mit den jeweiligen Landwirten unserer Region suchten sie bis Mitte Juni die Felder mit einer Drohne nach hauptsächlich Jungtieren ab, die, wie beispielsweise Rehkitze, bei Gefahr dichtgeduckt am Boden liegen bleiben. Denn den, inzwischen 25 Kilometer pro Stunde schnellen und bis zu zehn Meter breiten, Mähmaschinen können die Tiere nur schwer ausweichen. Ihr Instinkt lässt sie ausharren. Das führt immer wieder zu Unfällen, die weder der Landwirt noch der Jäger wünschen. Der eine, weil er sein Futter ernten möchte, ohne Tiere zu verletzen und der andere, weil er sich zur Hege derselben verpflichtet fühlt. Schlussendlich sind beide, wie alle Menschen, dem ersten Artikel des Tierschutzgesetztes verpflichtet, der uns die Verantwortung für das Tier, dessen Leben und Wohlbefinden übergibt. Dafür und aus einem ganz eigenem, hohen ethischen Anspruch heraus, waren Vater und Sohn allein im Mai 20 mal von jeweils 4 bis 9 Uhr morgens im Einsatz. Ihre Arbeitgeber unterstützen das Ehrenamt vorbildlich und die ganze Familie hilft mit.

 

2020 konnten von ihnen in 25 Einsätzen schon 53 Kitze gerettet werden. Dazu kommen viele Katzen, Hasen, Rebhühner, Frischlinge und Entenfamilien, die dann auch schon mal von der Jägerfamilie Frank aufgezogen werden. Zusammen mit zwei bis drei Helfern ist jeder Einsatz mindestens so spannend wie ein TV-Krimi. Sowohl was die Konzentration und auch was die Schnelligkeit angeht. Mit einer Drohne und den gängigen GPS-Systemen werden die Felder im Morgengrauen zuerst systematisch kartiert und nach sogenannten Wärmepunkten abgesucht. Denn Lebewesen sind, mit entsprechender Erfahrung, über eine Wärmebildkamera gut zu erkennen. „Auch deshalb sind wir sehr früh unterwegs. Je höher die Sonne steigt, um so stärker verwischen die Punkte, an denen wir Tiere vermuten,“ weiß Walter Frank. Sind die Stellen im Computer elektronisch markiert, werden die auf zwei bis drei Meter genauen Daten an mobile GPS-Geräte gesendet. Damit laufen zwei der Helfer umgehend in die Richtung der vermuteten Wärmequelle. Mit Hilfe der Drohne und zwei Handys wird ihr Weg vom Feldrand aus immer wieder leicht korrigiert. Plötzlich heißt es „noch acht Meter, direkt vor Dir, gleich in der nächsten Fahrspur, zwei Meter, mehr links“ und dann kommt die befreiende Antwort: „Hab es!“ Die Drohne dreht ab, sie muss nach circa acht Minuten wieder neu mit einem Akku bestückt werden.

 

 

 

„Wir machen das nicht für Geld“, betont Jäger Walter Frank. Viel Erfahrung braucht es, die Jungtiere so aufzunehmen, dass das Muttertier sie später wieder annimmt. Armlange Einweg-Handschuhe und reichlich Gras sichern zum Beispiel das Kitz vor der menschlichen Witterung, damit die Ricke das Junge wieder akzeptiert. Es wird in große Kartons gelegt und maximal zwei Stunden später an einer nahen aber sicheren Stelle wieder freigelassen. Mit schrillen Pfiffen, dem sogenannten „Fiepen“, verständigt es sich mit seiner in der Nähe gebliebenen Mutter, damit sie es findet. Diese sucht ihr Junges wenn nötig tagelang. „Wenn das klappt, ist die Mission erfüllt. Der Aufwand ist enorm und wir können nicht alle Tiere finden, es aber versuchen“, erklärt Walter Frank sein ethisches und freiwilliges Engagement. Ihre Erfolgsquote bei den Kitzen lag in diesem Jahr bei 98,1%. Gemeinsam freuen sich die Retter darüber, dass sie heute vielmehr Ricken mit ihren Kitzen auf den Feldern sehen als früher. Da waren kreisende Milane sehr häufig ein Zeichen am Himmel, dass auf dem Feld nicht alles gut gelaufen war. „Früher sah man die Ricke auf den gemähten Wiesen nach den vermähten Kitzen suchen, heute sieht man die Kitze umher tollen und der Ricke folgen“, weiß der Jäger Frank.

 

    

 

Es kommt auf die gute Koordination zwischen Landwirten und Jägern an. Die Jäger vom Hof Frank, die auch Mitglied im Bauernverband sind, wünschen sich, dass über die rechtlichen Grundlagen und Zuständigkeiten neu nachgedacht wird. Denn ihrer Meinung nach gilt es, das Zusammenspiel zwischen Jägern, Landwirten und Lohnunternehmern, welche häufig für die Bauern das Mähen übernehmen, weiter zu optimieren. Sie vermuten einen „Luft leeren Raum, wo das Kitz keine Chance hat.“ Das hat mindestens zwei Gründe: Der eine ist die technische Entwicklung der Erntefahrzeuge seit den 80er Jahren. Sie fahren wesentlich schneller und mähen breitere Streifen in einem Zug. Der zweite Grund ist, dass für die Biogasanlagen mehr Gras gemäht wird als früher. „Das kann kein Landwirt schaffen, nur mit Hinschauen. Selbst wenn er das Tier sieht, kann er nicht so schnell anhalten“, weiß Walter Frank. „Es geht noch besser Hand in Hand, wenn die Jäger rechtzeitig die Mähtermine kennen.“ Rechtzeitig heißt: ein bis zwei Tage im Voraus. Denn die Jäger machen das nicht im Hauptberuf. Sie müssen Ihre stundenlangen Einsätze mit dem Arbeitgeber koordinieren. Sohn Philip, der die High-Tech-Drohne mit komplizierter Software und Zubehör für insgesamt 9000 Euro bedient, geht nach drei Jahren Erfahrung damit sogar soweit zu sagen, dass „die Technik zum Mähen sich weiterentwickelt hatte. Die Tierrettung war dahinter stehen geblieben.“ Er ist sicher, dass die Drohne die einzig wirksame Methode zu Kitzrettung ist.Das Durchlaufen und das sogenannte Vergrämen der Wiesen durch Geruch und Fahnen hat nur bedingt Erfolg gezeigt. Durch die Drohne wurden von uns selbst in diesen vermeintlich sauberen Wiesen noch Kitze gefunden, was die Relevanz der Tierrettung per Drohne weiter unterstreicht.“ Er möchte, genau wie sein Vater und sein Onkel, alle Seiten noch stärker dafür sensibilisieren, dass über die rechtlichen Zuständigkeiten neu nachgedacht und diese Form des Tierschutzes stärker eingesetzt wird. „Denn wenn es diese Technik gibt, sollten wir sie alle gemeinsam und möglichst flächendeckend nutzen“, schlagen die Jäger vor.

 

 

 

Zahlen 2020: In diesem Jahr flogen die Frank` s mit ihrer Drohne die Wiesen und Felder ohne Honorarberechnung ab. Bei 25 Einsätzen waren jeweils bis zu 6 Helfer involviert, wodurch sich weit über 600 Einsatzstunden summierten. Einsätze über 10 Tage in Folge sind keine Seltenheit: 3:30Uhr Aufstehen und bis 11Uhr für die Tierrettung unterwegs sein. Für viele Menschen wäre damit die tägliche Arbeitszeit schon erbracht. Jedoch muss der Jäger nach dem Einsatz oftmals bis 21Uhr seiner regulären Arbeit nachgekommen. Denn Jagd und Tierrettung sind keine Berufe, sondern zeitintensive Leidenschaften. Nach der Arbeit müssen die Flächen für den nächsten Tag geplant und Drohne vorbereitet werden. Die Anschaffungskosten für die Drohne mit allem Zubehör liegen bei rund 10.000€. Hinzu kommen laufende Kosten für beispielswiese Akkus mit jährlich ca. 1.000€. und für außerordentliche Kosten, zum Beispiel bei Abstürzen.

 

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