Biopatente Fragen und Antworten - Zusammenfassende Position des Deutschen Bauernverbandes

Der Deutsche Bauernverband ist seit langen Jahren aktiv gegen eine Ausweitung der Patentierung von Lebensformen zulasten der Landwirtschaft.


Nachfolgend eine Zusammenfassung der Positionen des Bauernverbands von Feburar 2008 zu diesem Thema.

In der Öffentlichen Diskussion sorgt die Patentierung von tierischem und pflanzlichem Erbgut und von biotechnologischen Verfahren derzeit für Wirbel. Der DBV informiert darüber, was sich dahinter verbirgt, welche Folgen Biopatente für die Landwirtschaft haben können und welche Position der DBV vertritt.


Was sind Patente ?

 

Patente werden auf Erfindungen erteilt, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit
beruhen und gewerblich anwendbar sind. Patente dienen dem Schutz des geistigen Eigentums. Mit ihnen erhält der Patentinhaber das Recht, Wettbewerbern die Benutzung der patentierten Erfindung zu verbieten bzw. gegen Lizenzgebühr zu gestatten. Patente können grundsätzlich Basis für Innovationen und wichtiges Instrument sein, um Forschung und Entwicklung zu fördern.

 

Wer erteilt Patente ?

 

Die Erteilung von Patenten erfolgt durch nationale und überstaatliche Patentämter. Zu
letzteren gehört das Europäische Patentamt in München, welches Patente für das
Hoheitsgebiet von bis zu 37 europäischen Staaten erteilen kann. Das Europäische
Patentamt entscheidet nach einem einheitlichen Verfahren über Anträge auf der Grundlage des europäischen Patentübereinkommens. Es erteilt Patentschutz für einzelne Erfinder wie Unternehmen und in den verschiedenen Fachgebieten, darunter auch im Bereich der Biotechnologie. Bei Patenten auf diesem Gebiet spricht man von sogenannten „Biopatenten“.


Konkret verbergen sich dahinter so unterschiedliche Dinge wie Patente auf Impfstoffe, auf Diagnostika oder in Bereichen, die Pflanzen und Tiere berühren. Im Jahr 2007 gingen bei der Münchener Behörde rund 8500 Anträge im biotechnologischen Bereich ein, darunter 500 zu Pflanzen und Tieren.

 

Welche Erfindungen werden durch ein Biopatent geschützt ?

 

Das Europäische Patentamt patentiert:

 

1. Biologisches Material (z.B. Gensequenzen), das mit Hilfe eines technischen Verfahrens aus seiner natürlichen Umgebung isoliert oder hergestellt wird, wenn dessen Eigenschaften erstmals beschrieben werden, auch wenn es zuvor schon in der Natur vorhanden war. 


2. Pflanzen oder Tiere, wenn die Ausführungen der Erfindung technisch nicht
auf eine bestimmte Pflanzensorte oder Tierrassen beschränkt ist,


3. Mikrobiologische oder sonstige biotechnische Verfahren oder ein durch diese Verfahren gewonnenes Erzeugnis, sofern es sich dabei nicht um eine Pflanzensorte oder Tierrasse handelt.


Keine Patente gibt es auf Pflanzensorten und Tierrassen und „im Wesentlichen biologische Verfahren“ zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren. Dagegen sind zum Beispiel Patente auf sogenannte molekulare Marker zur Überprüfung bestimmter Eigenschaften in Zuchtlinien grundsätzlich zulässig (sofern dieses Verfahren neu ist), da es sich bei diesen um mikrobiologische bzw. technische Verfahren handelt.


Wie ist das Verhältnis zwischen Biopatenten und Gentechnik ?

 

Biopatente können gentechnische Verfahren betreffen, sie müssen es aber nicht. Unter den Begriff „Biopatente“ fällt auch die Patentierung von neuen biotechnologischen Verfahren, die nicht zwangsläufig gentechnisch veränderte Organismen betreffen.

 

Welche Folgen haben Biopatente für Landwirtschaft und Züchtung ?

 

Für Pflanzen-und Tierzüchter ist von Bedeutung, dass mit dem Instrument der Patentierung bestimmte Gentechnik oder biotechnologische Verfahren zur Weiter-und Neuzucht eingeschränkt oder deren Nutzung verteuert werden können. Zuchtunternehmen wenden heute schon erhebliche Ressourcen zur Beobachtung von Patentanmeldungen undgegebenenfalls zum Bestreiten von Einspruchsverfahren auf.


Daneben versuchen Unternehmen, sich quasi im Vorgriff auf mögliche künftige Nutzungen Patente auf Gene zu sichern. So hat BASF beim Europäischen Patentamt einen Antrag eingereicht, der darauf abzielt, etwa 20 000 Gene mit Patentschutz verschiedener Art belegen zu lassen.

 

Wie verhalten sich Patentrecht und Sortenschutz im Pflanzenbau zueinander ?


Im Bereich der pflanzlichen Produktion gilt seit Langem das Sortenschutzrecht. Der
Sortenschutz ist als Instrument zum Schutz des geistigen Eigentums aus Sicht des
Berufsstandes völlig ausreichend und hat sich bewährt. Im Sortenschutzrecht existiert keine absolute Sperrwirkung wie im Patentrecht, wo die Benutzung der patentierten Erfindung verboten oder gegen Lizenzgebühr gestattet werden kann. Infolge des sogenannten „Züchtervorbehaltes“ im Sortenschutz können Zuchtunternehmen für ihre eigene Forschung  und Züchtung ohne Einschränkungen auch die Ergebnisse anderer Zuchtunternehmen  verwenden.


Auch im Patentrecht gibt es den „Züchtervorbehalt“. Dieser ist gegenüber dem Sortenschutz jedoch eingeschränkt. Dritte dürfen eine patentierte Erbinformation zwar zur Züchtung einer neuen Sorte nutzen, die Vermarktung dieser neu gezüchteten Sorte unterliegt aber dem Patentschutz. D.h. der Patentinhaber muss der Vermarktung zustimmen und kann hierfür Lizenzgebühren verlangen. Für die Pflanzenzüchtung und damit für den Zuchtfortschritt insgesamt kann dieser Mechanismus sehr nachteilig sein, da nicht automatisch alle Züchter auf den Erfolgen einzelner Unternehmen aufbauen können.


Das Patentrecht beinhaltet auch das aus dem Sortenschutzrecht bekannte
„Landwirteprivileg“, welches zum uneingeschränkten Nachbau bei Zahlung einer Gebühr berechtigt.

 

Ein laufendes Patentverfahren beim Europäischen Patentamt ist zum Beispiel das
DGAT1-Gen („Kuh-Patent“). 


Was steckt dahinter ? 

 

Den Patentantrag zum sogenannten DGAT1-Gen haben sieben Parteien gestellt, darunter auch eine genossenschaftliche Rinderzuchtvereinigung aus Neuseeland. Das DGAT1-Gen ist eines von insgesamt 30-40 Genen, die für die Ausprägung der Milchleistung bzw. der Fleischqualität bedeutend sind. Die Antragsteller wollen Methoden schützen lassen, die auf Wissen zum DGAT1-Gen basieren. Dabei geht es beispielsweise um Analyseverfahren, die Verwendung von Antikörpern oder die Herstellung transgener Tiere. Von diesem Patentantrag könnten also Zuchtunternehmen betroffen sein, die ihre Zuchtbullen auf die Ausprägung des DGAT1-Gens prüfen und einstufen möchten.


Falls jemand dieses Selektionsverfahren einsetzen will, kann der Patentinhaber Gebühren verlangen. Allerdings findet die patentierte Untersuchungssystematik in der heutigen Rinderzucht keine Anwendung, daher hat auch die Rinderunion West (RUW) entschieden, in diesem Fall keinen Einspruch einzulegen. Für den Landwirt ist entscheidend, dass es entgegen vielfach gestreuten Informationen nicht so ist, dass er eine Lizenzgebühr zahlen muss, wenn sein Rind diese Eigenschaften aufweist oder durch den verkaufenden Züchter mit dem patentierten Verfahren selektiert wurde.


Das Patent schützt jedoch Rinder, denen in der Eizelle mittels Gentechnik das DGAT1-Gen verpflanzt wurde (transgenes Tier). Der ethisch umstrittene Einsatz transgener Tiere spielt in der praktischen Nutztierzucht bisher keine Rolle. Insofern hat dieses Patent sowohl in Bezug auf das Analyseverfahren als auch in Bezug auf das transgene Tier keine praktischen Folgen für die Milchviehhalter. Abgesehen davon kennt das Patentrecht das „Landwirteprivileg“ auch in der Tierzucht. Dadurch wäre die Zucht mit patentierten transgenen Tieren zur eigenen Verwendung vom Patentrecht ausgenommen. Wird allerdings das gezüchtete Tier verkauft, 

ist die Einwilligung des Patentierinhabers einzuholen und gegebenenfalls eine Lizenzgebühr zu entrichten.

 

Die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes beschäftigt sich zurzeit
mit dem sogenannten „Brokkoli-Patent“. 


Was bedeutet das ?

 

In diesem Fall wollen die Antragsteller ein Verfahren zur Erhöhung des Glucosinolatgehaltes in Kohl-und Brokkolipflanzen durch klassische Methoden der Kreuzung und Selektion patentieren lassen. Das Verfahren nutzt in zwei Schritten sogenannte molekulare Marker.


Die Antragsteller sind bestrebt, durch das Hinzufügen einfacher, technischer Verfahren ein Patent auf ein herkömmliches Züchtungsverfahren zu erlangen, ohne dass diese notwendig für das Verfahren sind. Herkömmliche Züchtungs-und Kreuzungsverfahren sind grundsätzlich nicht patentierbar, da sie nicht das Kriterium der „Neuheit“ erfüllen. Allerdings besteht die Gefahr, dass die Grenzen zwischen patentierbaren technischen Verfahren und nicht patentierbaren herkömmlichen Züchtungsverfahren verschwimmen, so wie im Fall des Brokkolipatentes. Da es sich um eine wichtige Grundsatzentscheidung handelt, hat sich der DBV mit einer ausführlichen Stellungnahme an das EPA gewandt und eingefordert, dass die EU-Biopatentrichtlinie sehr eng ausgelegt wird. Wir haben deutlich gemacht, dass der Einsatz bestimmter Techniken seit jeher die Züchtung bestimmt. Züchtung geschieht gerade nicht in der Natur ohne weiteres Zutun durch den Menschen, sondern ist ein aktiver Vorgang des Züchters, der von diesem gesteuert und kontrolliert wird. 


Bereits zu Zeiten von Gregor Mendel kam der Züchter nicht völlig ohne technische Hilfsmittel aus. Deswegen handelt es sich jedoch längst nicht um ein patentierbares „technisches Verfahren“. 


Wie steht der Bauernverband zur Erteilung von Biopatenten ?


Der DBV und die Landesbauernverbände lehnen Biopatente stets und grundsätzlich ab.
Diese Position wurde während der langjährigen politischen Auseinandersetzungen um die Verabschiedung der EU-Biopatentrichtlinie wie auch später bei deren Umsetzung ins deutsche Patentrecht vehement vertreten.


Der DBV setzt sich dafür ein, dass in der EU-Biopatentrichtlinie ein Verbot der Patentierung von Tieren und Pflanzen aufgenommen wird. Bislang ist nur die Patentierung von Tierrassen und Pflanzensorten verboten. Vor dem Hintergrund, dass die Verabschiedung der Biopatentrichtlinie 10 Jahre und die Implementierung in das deutsche Patentrecht weitere 7 Jahre gedauert hat, ist dies voraussichtlich ein längerfristiger Prozess. Zunächst ist entscheidend, dass sich auch die Bundesregierung klar positioniert. Dies hat Präsident Sonnleitner in einem Schreiben an Minister Seehofer deutlich eingefordert. Es muss sichergestellt werden, dass jede Form der Landwirtschaft an der aus dem Züchtungsfortschritt entstehenden Wertschöpfung umfassend beteiligt wird.


Wie ist der Bauernverband aktiv ?

 

Gegenwärtig hat sich das Europäische Patentamt mit einer Flut von Anträgen zu befassen. Zahlreiche Unternehmen stellen Patentanträge unterschiedlicher Art und wünschen Patentschutz für einzelne biologische Materialien, aber auch zu komplexen Methoden und Verfahren in der Züchtung. Angesichts der Fülle von Anträgen ist sehr kritisch zu prüfen, gegen welche Patentanträge ein Einspruch eingereicht werden muss und wie dieser fachlich begründet werden kann. 


Der Berufsstand legt bei seinen Aktivitäten den Schwerpunkt auf Patentanträge von grundsätzlicher Bedeutung, wie zum Beispiel das oben genannte „Brokkoli-Patent“. Grundsätzlich stimmt der DBV sein Vorgehen zu einzelnen Patentanträgen intensiv mit den deutschen Zuchtunternehmen und deren Organisationen ab.

 

Im Oktober vergangenen Jahres hat der DBV das Thema Biopatente in einer Tagung aufgegriffen, umfassend über die Sachlage informiert und die Grundlage für eine breitere
Diskussion gelegt. Einige Landesbauernverbände (z.B. WLV, BBV) werden diesen  Prozess mit eigenen Fachtagungen fortführen und vertiefen, um kritische Fragestellungen aufzuzeigen und eine möglichst starke Außenwirkung zu erreichen.


Außerdem informiert der Berufsstand über die Medien, wie z.B. über die Wochenblätter, Deutsche Bauernkorrespondenz und ZDF.

 

Welche Strategie verfolgt der Bauernverband in seinem Kampf gegen Biopatente?

 

Der DBV spricht sich weiter eindeutig gegen eine Ausweitung des Patentschutzes zu Lasten der Landwirtschaft aus. In seiner Arbeit konzentriert er sich darauf,



1. besonders prekäre Patentanträge fachlich und politisch zu prüfen und wenn notwendig, zielführend Einspruch zu erheben, um über diese exemplarische Vorgehensweise die aktuellen rechtlichen Grundlagen der Patenterteilung zu hinterfragen und die Patentierung im Einzelfall zu verhindern;


2. durch Aktivitäten im politischen Raum eine generelle Revision der EU-Biopatentrichtlinie und des europäischen Patentübereinkommens im berufsständischen Sinne zu erreichen.  


Stand: Februar 2008


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