Biogas und Tierhaltung Positionspapier vom 18.8.2010

 

Die Verwertung von nachwachsenden Rohstoffen über die Biogaserzeugung hat sich zu einer wirtschaftlich interessanten Alternative und zu einem weiteren Standbein oder Betriebsschwerpunkt für landwirtschaftliche Betriebe entwickelt.

 

Der Grund für die wirtschaftliche Vorzüglichkeit liegt in der Erhöhung der Einspeisevergütungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Diese Einspeisevergütung ist für investierende Betriebe über 20 Jahre festgeschrieben.

 

Es ist zu erwarten, dass angesichts der weltweiten Angst vor einer Klimakatastrophe verstärkt in den meisten Ländern der Erde auf eine CO2-Verminderung hingearbeitet wird. Dies hat zur unmittelbaren Folge, dass mit Geldern aus dem Zertifikatehandel verstärkt in die Nutzung von Bioenergie eingestiegen wird. Nachhaltig ist deshalb damit zu rechnen, dass die Biogaseuphorie eher zunehmen, statt abnehmen wird.

 

Festzustellen ist, dass der aktuelle Boom bei Bauanträgen für Biogasanlagen neben der guten Rentabilität in einer zu positiv gesehenen Ertragserwartung liegt. Dabei wird vielfach übersehen, dass die aktuell guten Leistungen von Biogasanlagen ihren Grund in der Neuwertigkeit der Anlagen haben. Größere Reparaturen fallen in der Anfangszeit nicht an. Damit sind die Standzeiten noch gering. Die letzten beiden Jahre haben zudem hervorragende Silomaiserträge gebracht. Ob dies im Durchschnitt von 20 Jahren so haltbar ist, muss zumindest realistisch in Frage gestellt werden. Ebenfalls wird der realistische Blick auf die Ertragssituation durch die regelmäßige Praxis bei der Finanzierung ein tilgungsfreies Jahr vorzuschalten, getrübt.

 

Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Zukauf von Rohstoffen bei volatilen Agrarmärkten sich zum Risiko entwickeln kann. Die Getreidepreise der letzten beiden Jahre um die 100 Euro je t könnten sich kurzfristig – schon im Jahr 2010 – wieder auf über 160 Euro je t entwickeln. In diesem Bereich ist aber bei den aktuellen Einspeisesätzen die Wirtschaftlichkeit bei Zukauf zumindest fraglich.

 

Nach den guten Renditen der letzten beiden Jahre im Biogasbereich ist festzustellen, dass die Biogasbetriebe die erzielten Gewinne in die Anpacht von zusätzlichen Flächen investieren und dabei Pachtpreise bezahlen, die nicht von Veredlungs- und Milchviehbetrieben, schon gar nicht von Ackerbaubetrieben bezahlt werden können.

 

Dadurch entstehen Verwerfungen, die sehr kritisch gesehen werden müssen.

 

Vor dem Hintergrund dieser Gesamtsituation fasst der Gesamtvorstand des Bauernverbandes Schwäbisch Hall – Hohenlohe – Rems eV das nachfolgende Positionspapier.Es richtet sich in besonderer Weise an Planer, Betreiber, Beratung, Politik und die Kommunen.

 

Der Bauernverband Schwäbisch Hall – Hohenlohe – Rems e.V. sieht mit großer Sorge, dass der in Folge der Novellierung des  Erneuerbare-Energien-Gesetzes entstehende Investitionsschub bei Biogasanlagen Konkurrenz um die knappe Fläche in der Veredlungsregion schafft, die nicht nur zu Wettbewerb sondern zu ernsten Konflikten zwischen den Landwirten führt. Jeder Betrieb ist auf Fläche dringend angewiesen.

 

Wir wünschen, dass auch zukünftig mit Augenmaß, Realismus und Fairness und Achtung vor dem Berufskollegen Streit um die knappen Pachtflächen vermieden wird und empfehlen, Lösungen zu suchen, die auch langfristig ein auskömmliches Miteinander in der

Landwirtschaft ermöglichen.

 

1.       Der Bauernverband Schwäbisch Hall – Hohenlohe – Rems eV ruft dazu auf, bei Investitionen in Biogasanlagen vorsichtig und betriebswirtschaftlich vernünftig zu kalkulieren.

 

Die Wirtschaftlichkeit der geplanten Anlage darf nicht allein aufgrund der Erfahrungen neuwertiger Anlagen, guter Maiserträge der letzten Jahre und niedrer Getreidepreise berechnet werden. Folgekosten und Standzeiten müssen über einen 20-Jahreszeitraum realistisch bewertet werden.

 

Wir empfehlen, neutrale Beratungseinrichtungen zu nutzen und sich nicht ausschließlich auf die Verkaufsargumente der Anlagenbauer zu verlassen.

 

Unter Berücksichtung dieses Aspektes dürfen übertriebene Ertragserwartungen nicht zu übertriebenen Pachtpreisgeboten führen

 

2.       Der Bauernverband Schwäbisch Hall – Hohenlohe – Rems eV gibt zu bedenken, dass die Rohstoffpreise steigen können, gleichzeitig aber die Einspeisevergütungen festgeschrieben sind.

           

Mit den fortschreitenden WTO Verhandlungen und der daraus bereits – zum Teil im Vorgriff – erfolgten Änderung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU werden die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse volatiler.

 

Damit verbunden sind Chancen und Risiken aber auch kurzfristige Verwerfungen bei der Vorzüglichkeit einzelner Produktionsverfahren.

 

Während in Zeiten niedriger Getreidepreise die Produktion für die Bioenergieerzeugung sehr interessant ist, wird in Zeiten höherer Getreide- und Maispreise der Vermarktungsweg über die Lebensmittelschiene Vorteile bringen. Dem Preisgefüge entsprechend wird sich die Neigung der Landwirte verändern, für den Bioenergiemarkt oder für den Lebensmittelmarkt zu produzieren.

 

Eine Anlage ist auf 20 Jahre ausgerichtet. In der Planung sollten verschiedene Szenarien berücksichtigt werden.

 

3.       Der Bauernverband Schwäbisch Hall – Hohenlohe – Rems eV empfiehlt, statt auf verstärkten Kampf um Pachtflächen auf längerfristige Lieferverträge von Rohstoffen zu setzen

 

Nach aktuellem Stand gibt es im Verbandsgebiet des Bauernverbands Schwäbisch Hall –  Hohenlohe – Rems eV genügend Flächen, die sich für den Anbau von nachwachsenden Rohstoffen eignen. Regional hingegen gibt es eine starke Konkurrenz zwischen Biogasanlagen untereinander und zu Veredlungs- und Milchviehbetrieben.

 

Bei realistischer Betrachtung liegt es in beidseitigem Vorteil, wenn statt der eigenen Anpachtung von Flächen Anbauverträge geschlossen werden. Zum einen bleibt der dörfliche Friede dadurch gewahrt, zum andern aber ist durch eine Win-Win Situation auch die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit des Betreibers als auch des Lieferanten verbessert.

 

Wir empfehlen Preiskorridore zu vereinbaren, die beiden Seiten längerfristig gerecht werden und bei schwankenden Markt- und Ertrags­be­ding­ungen verlässlich eingehalten werden. Dabei können sich verändernde  Parameter in die Vertragsbedingungen eingearbeitet werden. Auch Ausstiegsklauseln können definiert werden.

 

Der Bauernverband ist bei der Abfassung und Beratung solcher Verträge durch Juristen, Betriebswirtschaftler und Geschäftsführer behilflich.

 

Für Landwirte, die Verkaufsfrüchte anbauen, bestehen Chancen im Absatz von Produkten an Biogasanlagen. Sie sollten diese Chancen nutzen. Der Bauernverband rät, diesen Absatzwegen offen gegenüber zu stehen und vertragliche Beziehungen einzugehen

 


4.       Die landwirtschaftliche Tierhaltung als Basis der Einkommensmöglichkeit für die allermeisten Betriebe muss ihre Chancen behalten können. Eine Übersubventionierung von Bioenergie ist zu vermeiden.

 

Die Biogaserzeugung wird durch das EEG gefördert, weil ein gesellschaftlicher Konsens besteht, angesichts des von weiten Teilen der Öffentlichkeit und Wissenschaft befürchteten Klimawandels, die CO2 Emissionen weltweit zu vermindern.

 

Damit steht die von gravierenden Marktschwankungen betroffene tierische Erzeugung in ungleicher Konkurrenz zur mit Preisgarantien geschützten Erzeugung von Biogas.

 

Aus diesem Grund muss darauf geachtet werden, dass neben der berechtigten Wertschöpfung von Bioenergie durch gesellschaftliche Ansprüche auch die marktabhängige Landwirtschaft ihre Chancen behält und nicht verdrängt oder belastet wird.

 

5.       Im Bau- und Planungsrecht müssen die Flächenverfügbarkeit und die bestehende Tierhaltung in einer Region berücksichtigt werden. Außerdem müssen kooperative Ansätze zwischen Tierhaltern, Ackerbauern und Bioenergieerzeugern gefördert werden.

 

Die beschriebene, aktuell ausgeprägte Vorzüglichkeit der Biogaserzeugung gegenüber der landwirtschaftlichen Tierhaltung führt in einigen Fällen dazu, dass durch Neuinvestitionen in Biogasanlagen Tierhaltungen durch Wegfall von Flächen gefährdet werden.

 

Volkswirtschaftlich macht es keinen Sinn, gut funktionierende und eigentlich wettbewerbsfähige Tierhaltungen dadurch zu gefährden, dass durch einseitige Bevorzugung konkurrierender Betriebszweige kurzfristig Strukturen zerschlagen werden.

 

Vor Baubeginn muss die Beschaffung des Substrats und die Verwertung der Biogasgülle geklärt sein. Dafür müssen alle Möglichkeiten genutzt werden können, die eine Kooperation zwischen Landwirten der verschiedenen Produktionsrichtungen fördern.

 

Lieferverträge und Gülleabnahmeverträge sind dabei gegenüber der Anpachtung von Grundstücken mindestens gleich zu stellen, wenn nicht sogar zu bevorzugen.

 

In diesem Zusammenhang ist auch die steuerliche Flächenbindung (VE/ha) der Tierhaltung zu überdenken: Wenn die Verwertung der Gülle umweltverträglich geklärt ist, macht eine engere Flächenbindung keinen Sinn. Sowohl die Kooperations­möglichkeiten als auch die steuerlich zulässigen Möglichkeiten pro Hektar sind auszubauen.

 

Landwirte, die ihren Weg in der Tierhaltung finden, dürfen nicht gezwungen werden, Flächen selbst zu bewirtschaften, sofern das Güllemanagement geklärt ist.

 

6.       Die Landwirtschaft ist die Schlüsselstelle in der Nutzung der Bioenergie, die Wertschöpfung muss zu einem möglichst hohen Anteil in der Landwirtschaft bleiben.

 

Die enorme Wertschöpfung landwirtschaftlicher Rohstoffe durch die Verwertung in Bioenergieanlagen ist gesellschaftlich und politisch gewollt. Es ist bei realistischer Betrachtungsweise zu erwarten, dass die Handelbarkeit von CO2-Zertifikaten einen zusätzlichen Schub zugunsten des Anteils von Bioenergie am Energiemix bringt.

 

Unter dieser Prämisse ist zu befürchten, dass Großanlagen in Trägerschaft von Energiekonzernen, Stadtwerken oder Investoren weiter um sich greifen. Damit bliebe für den Landwirt als Wertschöpfung nur die Lieferung von Rohstoffen.

 

Für die Landwirtschaft insgesamt ist es deshalb wichtig, Wertschöpfungspotenziale durch den Betrieb landwirtschaftlicher Anlagen weitgehend selbst zu heben und sich dem politisch gesellschaftlichen Trend nicht zu verschließen.

 

Der Bauernverband Schwäbisch Hall – Hohenlohe – Rems eV spricht sich  für die Nutzung von Bioenergie durch Landwirte aus, dies darf aber nicht dazu führen, dass Tierhaltungsbetriebe in ihrer Wirtschaftlichkeit gefährdet werden.

 

Die Politik hat mit der Ausgestaltung des EEG dafür Sorge zu tragen, dass ein auskömmliches Miteinander gesichert bleibt. Die Landwirtschaft selbst sollte durch geeignete Kooperationsformen Konflikte vermeiden.

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