Bauernverband setzt auf Geschlossenheit und Sachlichkeit

Bauerntag 2016 in Kupferzell

Ein starker geschlossener Berufsverband, der die verschiedenen Produktionsrichtungen und -methoden vertritt, Meinungen bündelt und mit einer Stimme spricht, ist eine zentrale Voraussetzung für die Zukunft der Bauernhöfe in Hohenlohe und im Rems Murr Kreis. 

 

Vorsitzender Klaus Mugele macht klar: "Redet mit uns, statt über uns - Wer so tut, als bräuchte man eine Agrarwende um die Gesellschaft vor den Bauern zu schützen, verweigert sich einer vernünftigen Gesprächsgrundlage" Der Bauernverband sehe die Notwendigkeit eines "gesamtgesellschaftlichen Konsens, beispielsweise für die Nutztierhaltung" als dringend gebotene Aufgabe statt der zunehmenden Polarisierung der Öffentlichkeit.

 

Dass dafür erheblicher Aufklärungs- und Informationsbedarf notwendig ist, macht PD Dr. Gaby-Fleur Böl in ihrem beeindruckenden Vortrag zu tatsächlichen und gefühlten Risiken auf dem Acker und im Stall deutlich. Der beste Weg gegen Polarisierung ist, sich mit den tatsächlichen Fakten auseinanderzusetzen und Argumente auszutauschen statt Parolen.

Die Reden und Vorträge im Wortlaut und die Präsentationen finden Sie als pdf Dateien ganz am Ende des Berichts nach den Bildern

 

 

Bauernverband sucht den Konsens

Haller Tagblatt vom 6.2.2016: Jochen Korte

Der Bauernverband Schwäbisch Hall-Hohenlohe-Rems will die "gesellschaftliche Polarisierung" entschärfen. Vorsitzender Klaus Mugele wehrt sich gegen das Gerede von einer Agrarwende. Die brauche man nicht.

 

 

Unter Agrarwende würden bestimmte Gruppen einen anderen Umgang mit "Mensch und Tier und Umwelt" verstehen. "Solche Sprüche, man bräuchte eine Agrarwende, um unsere Mitbürger vor den Bauern zu schützen, sind keine Gesprächsgrundlage", meint Mugele. Der Bauernverband habe mit zahlreichen Gesprächen dazu beigetragen, den Konflikt zu entschärfen. "Redet mit uns statt über uns", laute das Motto. Konkret nennt er Aktionen mit "Brot für Welt", den Dialog über das Evangelische Bauernwerk sowie "Klassenzimmer Bauernhof" und "Lernort Bauernhof", die von Andrea Bleher federführend geleitet werden. Auch die "Initiative Tierwohl" komme an.

 

Bei der Tierhaltung werde ein gesellschaftlicher Grundkonsens auf Basis des Hohenheimer Professors Harald Grethe gesucht. "So wie der Hickhack bisher zum Teil lief und da und dort immer noch läuft - das hat keine Zukunft", erklärt Mugele. Die Bereitschaft zu Veränderungen sei da. "Was am meisten vermisst wird neben auskömmlichen Erzeugerpreisen ist ein ehrlicher Umgang und eine angemessene Wertschätzung."

 

In der der Regionalvermarktung sieht der Verband ebenso Chancen wie bei den klassischen Absatzwegen über den Handel. Abwegig seien Behauptungen, der Bauernverband setze bei Agrargütern vor allem auf den Weltmarkt. Ebenso abwegig sei, dass der Verband "Wachsen oder Weichen" fordere. Nur: "An den Gesetzmäßigkeiten des Marktes kommt auch kein Bauer vorbei." Drei Viertel der Erzeugnisse blieben im Land, 20 Prozent gingen in die EU und nur fünf Prozent in Drittländer. Es gehe auch nicht um Dumping in Afrika, sondern um Absatzchancen in Japan, Südkorea, den USA oder China.

 

Auf das Freihandelsabkommen TTIP will Mugele Einfluss nehmen. Geschützte Herkunftsbezeichnungen und Standards müssten gesichert werden. Klar sei, dass dafür Gegenleistungen erwartet würden. "Bäuerinnen und Bauern in Hohenlohe und im Rems-Murr-Kreis haben Zukunft! Na klar!", ruft er ins Publikum und erntet dafür Beifall.

 

Geschäftsführer Helmut Bleher wettert gegen den "medialen Unsinn über die Ziele des Bauernverbandes", der in den letzten Wochen verbreitet worden sei. Böswillig sei es zu behaupten, der Verband "setze auf die Strategie des ,Wachsen oder Weichens', auf Exportorientierung oder er sei ,Handlanger der Agrarindustrie'". "Der Verband muss als wichtigstes Ziel haben, dass dem Landwirt die unternehmerische Freiheit bleibt", sagt Bleher. Als Sklave der Bürokratie könnten selbstständige Bauern nicht existieren. Der Verband kämpfe für die Zukunft seiner Mitglieder.

 

Hohenlohe-Landrat Matthias Neth bedauerte, dass nicht nur die Preise bei Milch und Schweinen, sondern auch die Wertschätzung der Bauern zu gering sei. "Es wäre schon vernünftig, wenn die Landwirtschaft aus einem Mund sprechen würde", meint der CDU-Landtagsabgeordnete Arnulf von Eyb. "In Deutschland können sich auch arme Menschen Lebensmittel in bester Qualität leisten", lobt SPD-Landtagsabgeordneter Nikolaos Sakellariou die Landwirte. Friedrich Bullinger, Landtagsabgeordneter der FDP, macht eine "schleichene Enteignung durch Bevormundung" der Bauern aus. Für den harmonischen Ausklang sorgt das Akkordeonorchester "Hohnerklang".

 

Unterhaltsame Aufklärung

 

"Die heutigen Lebensmittel sind sicherer und qualitativ hochwertiger, als sie es je waren. Sie produzieren gute Ware", sagt Dr. Gaby-Fleur Böl zu den gut 500 Zuhörern beim Bauerntag in Kupferzell.

 

 

Die Landwirte hören das gern. Doch wie kommt es, dass die Verbraucher trotzdem Angst haben vor belasteten Lebensmitteln und vor Rückständen von Pflanzenschutzmitteln, die es tatsächlich gibt, wie die Leiterin der Abteilung Risikokommunikation des Bundesinstituts für Risikobewertung ausführt? Das hängt mit Risikowahrnehmung zusammen, erklärt sie an unterhaltsamen Beispielen. Die Verbraucher seien durch Berichte von Lebensmittelskandalen verunsichert. "Es ist unsere Hauptaufgabe, aufzuklären", so Böl. Das unabhängige Institut will feststellen, was für den Verbraucher gefährlich ist und was nicht. So seien Fadenwürmer in Fischen nicht gefährlich, höchstens eklig. Und Dioxin im Tierfutter habe für den Menschen keinerlei Gefahr dargestellt. Auch wenn das natürlich nicht ins Futter gehöre. "Die Dosis macht das Gift", erklärt die Fachfrau. Dagegen würden Gefahren beispielsweise durch Noroviren oder Schimmelpilze "grandios unterschätzt". Zum Reizthema Glyphosat führt sie aus: "1000 Studien besagen, dass es keine erbgutverändernden Eigenschaften hat. Es gibt auch keine Anhaltspunkte für eine krebserregende Wirkung." Zudem werde es von den Landwirten dosiert angewendet, "aber das wissen Sie ja am besten.

 

Contra-Position

 

Harald Ebner, Bundestagsabgeordneter der Grünen aus Kirchberg, kämpft seit Jahren gegen Glyphosat. In seiner jüngsten E-Mail zitiert er aus einer Studie des Agrarökonomen Charles M. Benbrook. Demnach sei die globale Glyphosat-Anwendungsmenge in den letzten 20 Jahren um das 15-Fache gestiegen. Die Landwirtschaft müsse schleunigst raus aus der Giftspirale von Gentechnik und Glyphosat, um Schaden von Mensch und Umwelt abzuwenden.

 

Kommentar: Auf gutem Weg

Keine schrillen Töne von Klaus Mugele: Der Bauernverbands-Chef gab sich gestern unaufgeregt und sachlich. So, wie man es von einem Verband, in dem viele Mitglieder in einer existenziellen Krise stecken, erwarten darf.

JOCHEN KORTE |

Keine schrillen Töne von Klaus Mugele: Der Bauernverbands-Chef gab sich gestern unaufgeregt und sachlich. So, wie man es von einem Verband, in dem viele Mitglieder in einer existenziellen Krise stecken, erwarten darf. Dabei ließ Mugele nie vermissen, für wen er kämpft: für die bäuerlichen Familien, für seine Mitglieder. Klar, dass er sich gegen Bauern-Bashing wehrt. Er stellt nicht die Medien an den Pranger, sondern die, die Halbwahrheiten und Falschinformationen in Umlauf bringen "und ihr schmutziges politisches Geschäft betreiben", wie er sagt. Dass der Bauernverband den Dialog mit Verbrauchern sucht und mit "Klassenzimmer Bauernhof" und "Lernort Bauernhof" gute Formate gefunden hat, ist nur zu begrüßen. Die Bauern haben nichts zu verbergen. Das müssen sie allen zeigen, die es sehen wollen.

 

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Die laute Revanche bleibt aus

Hohenloher Zeitung, Ralf Reichert 6.2.2016

Kupferzell  Der Bauernverband setzte bei seinem Bauerntag auf Sachlichkeit.

 

 

Die laute Revanche bleibt aus

Dr. Gaby-Fleur Böl, Leiterin der Abteilung Risikokommunikation des Bundesinstituts für Risikobewertung.

   Foto Reichert

 

Der "Hohenloher Bauerntag" war bisher das Markenzeichen des alteingesessenen Bauerverbands. Am Dienstag ist Rudolf Bühler dem Verein in die Parade gefahren und hat mit seiner Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall erstmals einen eigenen "Hohenloher Bauerntag" gefeiert. Der "Erfinder" bekam dabei ordentlich auf die Mütze (wir berichteten). Am Freitag nun machte das "Original" mobil. Doch die laute Revanche blieb aus. Nur hier und da blitzte ein scharfer Satz auf, sonst bemühte man sich um größtmögliche Sachlichkeit und Geschlossenheit.

 

Grottenfalsch

 

Der Name Rudolf Bühler fiel in Kupferzell kein einziges Mal. Dafür bekam der frühere Wirtschaftsstaatssekretär der Grünen, Rezzo Schlauch, sein Fett weg, der in Wolpertshausen über den Verband hergezogen war. "Grottenfalsch" liege der mit seiner Kritik, man schiele nur auf die Weltmärkte und fordere ständig "Wachsen oder Weichen", befand Klaus Mugele. "Fakt ist, dass kein Landwirt hier in Hohenlohe sich auf den Weltmarkt stürzt, sich aber auch keiner den Einflüssen des Weltmarktes komplett entziehen kann", erklärte der Chef des Bauernverbands Schwäbisch Hall-Hohenlohe-Rems. Regional und überregional: Das ist für Mugele kein Gegensatz. So wie er den Bauernverband als Interessenvertreter und Dienstleister aller Landwirte versteht: ob sie nun eher konventionell oder stärker ökologisch wirtschaften.

 

 

 

Die laute Revanche bleibt aus

 

Rund 600 Landwirte kamen am Freitag zum Hohenloher Bauerntag des Bauernverbands in de Carl-Julius-Weber-Halle in Kupferzell.

Fotos: Ralf Reichert

 

Den Bauernverband als exportorientierten "Handlanger der Agrarindustrie" zu bezeichnen, sei "eine böswillige Behauptung", giftete Geschäftsführer Helmut Bleher in Richtung Schlauch und Konsorten. Den Bauernverband zerschlagen? Darüber kann er nur müde lächeln. Er sei in diesen schwierigen Zeiten wichtiger denn je, um das zu erfüllen, was die 5000 Mitglieder in der Region von ihm erwarten: "Sicherheit, wirtschaftlichen Erfolg und Zukunft." Dies alles könne der Verband den Bauern jedweder Coleur bieten.

 

 

"Es ist in diesen Tagen ja viel von Spaltung die Rede gewesen", merkte der Haller SPD-Landtagsabgeordnete Nikolaos Sakellariou an. "Ich war am Dienstag in Wolpertshausen, und ich kann nur sagen: Viele habe ich heute zum zweiten Mal gesehen." Er habe das Gefühl, "viele wollen sich gar nicht spalten lassen, sondern sie wollen von beiden nur das Beste: hier die Preise, da die Rechtsberatung." Die Bauern lachten und klatschten. Und sein Hohenloher CDU-Kollege Arnulf von Eyb? Er empfahl: "Es wäre sehr schön, wenn die Landwirtschaft aus einem Munde sprechen würde."

 

 

Die laute Revanche bleibt aus

Klaus Mugele, Vorstandsvorsitzender des hiesigen Bauernverbands.

 Foto Reichert

 

Umweltschutz, Tiergesundheit, Lebensmittelsicherheit: Arrivierte Landwirte müssen ordentlich einstecken, viele fühlen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Von Verbrauchern, Medien, vermeintlich besseren Erzeugern, denen sich Bühler und Co. zugehörig fühlen, sowie Gegnern der scheinbar so verseuchten Agrarindustrie.

 

 

Der Bauernverband hatte am Freitag ein Ass im Ärmel, dass diese Kritiker entzaubern sollte: Dr. Gaby-Fleur Böl. Sie arbeitet bei einem Institut, das Risiken korrekt bewerten will. Real, nicht gefühlt, mit knallharten naturwissenschaftlichen Fakten. Pflanzenschutzmittel, Antibiotika, Dioxin: Solche chemischen Stoffe seien ungefährlich, weil sie nur in extrem geringen Mengen in Lebensmitteln auftreten, sagte Böl. "Grandios unterschätzt" würden Viren, Bakterien - und viele Gifte der mythisch überhöhten "gütigen Natur".

 

 

Klare Botschaft

Kommentar Ralf Reichert


Die Lebenswelt der Verbraucher entfernt sich immer stärker von der Berufswelt der Landwirte. Deren Produkte sind ja überall ganz einfach zu haben. Ein Griff ins Supermarktregal, und gut ist. Woher sie stammen und wie sie erzeugt werden, wissen nur noch die wenigsten.

 


Zwar knausern die meisten Bürger beim Kauf von Lebensmitteln. Die Aufregung ist dafür umso größer, wenn wieder mal ein vermeintlicher Skandal das Licht der Welt erblickt. Viele Verbraucher haben ein idealisiertes, längst überholtes Bild vom Bauernhof im Kopf, die meisten Landwirte können die realen Produktionsbedingungen ihrer High-Tech-Höfe nicht mehr vermitteln.

 


Tierwohl und Lebensmittelsicherheit werden bis zur Hysterie gesteigert, ohne zu wissen, was eigentlich Sache ist. Die konventionelle Landwirtschaft unter Generalverdacht zu stellen, ist absurd. Von Verbrauchern ebenso wie von Erzeugern, die ihre Produkte für reiner und besser halten. Die Lebensmittelproduktion wird so streng überwacht, dass in Deutschland ein sehr hohes Qualitätsniveau erreicht ist. Egal, ob Fleisch und Wurst regional oder überregional vermarktet werden.

 

 

Ob sie im weit entfernten Supermarkt landen oder in der Metzgertheke nebenan. Aufklärung tut Not. Mehr denn je. Dr. Gaby-Fleur Böl hat beim Bauerntag Klartext gesprochen. Ihre Botschaft: Lebensmittel in Deutschland sind sicher. Und es gibt bei der Bewertung gesundheitlicher Risiken eine Riesenkluft zwischen dem, was Fakt ist, und dem, was Bürger glauben. Dagegen hilft nur eines: informieren, informieren, informieren – und sich nicht manipulieren lassen.

 

 

 

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