Bauerntag 2011 in Wallhausen: VION setzt auf Verbrauchertrends "Gesunde Ernährung - Tierwohl - Regionalität"

 

Beim Bauerntag des Bauernverbands Schwäbisch Hall - Hohenlohe - Rems
eV am 25. Februar in Wallhausen konnte man Europas größtes
Schlachtunternehmen aus einer erstaunlichen Perspektive erleben. "Wir
sind bauernnotiert, statt börsennotiert !" so der Aufsichtsratsvorsitzende Antoon Vermeer, selbst Milchviehhalter in seinem Referat.

 

Bäuerliches Denken fließt damit auch in  die Konzernpolitik ein. Immerhin gehört VION etwa 10000 Landwirten des südniederländischen  Bauernverbandes ZLTO. "Und daran werden wir auch nichts ändern", so  Antoon Vermeer im Nachgespräch.

 

zwei Berichte über den Bauerntag und VION aus der regionalen Presse:


Die Zukunft gemeinsam gestalten

Wolfgang Rupp, Hohenloher Tagblatt (swp)


Crailsheim/Wallhausen.  "Nur über eine enge
Partnerschaft können wir die Zukunft bewältigen und gestalten", ist
Antoon Vermeer überzeugt. Der Aufsichtsratsvorsitzende von VION war
gestern zu Gast in Hohenlohe.


Wenigsten
zwei- bis dreimal in der Woche geht er für ein paar Stunden in den
Stall, wo 150 Kühe und 20 Kälber stehen. Der Betrieb mit einer
bewirtschafteten Fläche von 70 Hektar wird von seinem Neffen geführt. Er
selbst hätte dafür wohl auch zu wenig Zeit, schließlich ist Antoon
Vermeer als Aufsichtsratvorsitzender von VION mehr als ausgelastet.


Das
international operierende Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Eindhoven
in den Niederlanden, produziert nach eigenen Angaben "hochwertige
Nahrungsmittel und Zutaten für Mensch und Tier", beschäftigt weltweit 27
000 Mitarbeiter und erzielt einen Umsatz von rund neun Milliarden Euro -
und ist auch in Crailsheim vertreten.


Es ist der erste Besuch von
Vermeer im Crailsheimer Schlachthof und doch bleibt ihm nicht einmal
Zeit, sich ein Bild vom Produktionsablauf in dem Schlacht- und
Zerlegebetrieb zu machen. Umso aufmerksamer hört er sich die vom
Crailsheimer Geschäftsführer Robert Boos und Erik Schöttel (zuständig
für Business im Bereich Süd) an. In Crailsheim werden pro Woche 2400
Stück Großvieh und 15 500 Schweine geschlachtet, 550 Tonnen Rindfleisch
und 1500 Tonnen Schweinefleisch zerlegt. Derzeit sind in dem seit 2002
zu Vion gehörenden Unternehmen, zu dem auch Betriebe in Leutkirch und
Riedlingen zählen) 655 Mitarbeiter beschäftigt, die im abgelaufenen Jahr
einen Umsatz von 382 Millionen Euro erzielt haben. "Wir sind der
profitabelste Vion-Betrieb in Deutschland", freut sich Geschäftsführer
Boos. Kunden sind unter anderem Tengelmann, Edeka, Netto und Lidl.


"Wir
sind ein bauernorientiertes Unternehmen", hebt Vermeer bei seinem
Kurzbesuch im Crailsheimer Schlachthof hervor und unterstreicht dabei
die Wichtigkeit einer Partnerschaft mit den Landwirten, aber auch mit
den Kunden, dem Handel und dem Verbraucher. Nur gemeinsam könne die
nicht einfache Zukunft bewältigt und gestaltet werden. Zwei Stunden
später unterstreicht er diese Aussage in Wallhausen, wo er beim
Bauerntag des Bauernverbandes Schwäbisch-Hall-Hohenlohe-Rems in der
Kulturhalle zu Gast ist. Wo liegt das Problem der Zukunft? Der weltweite
Fleischverbrauch wächst alle zehn Jahre um bis zu 30 Prozent. Der
Wettbewerb und die internationalen Aktivitäten nehmen zu. Doch Europa
spielt laut Vermeer auf dem globalen Rindfleischmarkt keine Rolle mehr,
weil hier am teuersten produziert wird, was auch für das Schweinefleisch
gilt. "Landwirtschaft und Fleischbranche stehen vor großen
Herausforderungen", beschreibt Vermeer die Zukunft, um im gleichen Satz
festzustellen: "Vion ist gerüstet."


Und in welcher Form? Indem
sich das Unternehmen beispielsweise durch eigene Verkaufsbüros
Marktzugang in die wichtigsten Exportmärkte (von Rumänien und Spanien
über Bulgarien und Russland bis nach Schweden und Brasilien) sichert und
im Inland noch stärker auf das Verhalten, die Wünsche und Bedürfnisse
des Konsumenten eingeht. Und was wünscht der Verbraucher? Er achtet auf
gesunde Ernährung und damit auf einen geringen Fettgehalt, auf
Cholesterin, Zucker und Salz. Aus diesem Verhalten heraus wurde
beispielsweise ein neues Hackfleisch-Gemisch hergestellt. Der
Verbraucher fordert "emotional berührt", so Vermeer den Verzicht auf
Ferkelkastration "und wir müssen darauf reagieren", macht der Sprecher
deutlich. So schlachtet Vion in Niederlande bereits 35 000 Eber pro
Woche und forciert die Forschung in der Jungebermast zum Ausstieg aus
der Ferkelkastration.


Wenn laut Untersuchung 77 Prozent der
Verbraucher Fleisch aus artgerechter Haltung bevorzugen würden, "müssen
wir darauf eingehen", appellierte Vermeer an seine Zuhörer und dies auch
als "Chance für neue Konzepte sehen". Gleichzeitig hebt er die bei der
Herkunft von Lebensmitteln zunehmende Bedeutung der Regionalität und
damit die Chance und Bedeutung der heimischen Landwirtschaft hervor.
Ihre partnerschaftliche Einbindung spiele in der Strategie des
Unternehmens Vion nicht nur eine herausragende Rolle, sie sei auch die
Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung einer auf die Zukunft
ausgerichteten Konzeption.


Und wie denken die Zuhörer: So wie der Redner. Zumindest werden keine Fragen gestellt.



Fleischmulti schätzt lokale Nähe


 

Von Ralf Reichert, Hohenloher Stimme


 
 
 


Hohenlohe - Der Strukturwandel in der Landwirtschaft geht gnadenlos
weiter. Schweinehaltung ist nur noch rentabel, wenn größere Mengen
produziert und abgesetzt werden können. Den Hohenloher Bauern, die
traditionell eher kleinteilig aufgestellt sind, macht das zu schaffen.
Die historisch gewachsene Veredelungsregion blutet immer stärker aus:
1991 gab es noch 1170 Schweinemäster im Landkreis, 2011 sind noch 350
übrig. Die Zahl der Ferkelerzeuger sank im gleichen Zeitraum von 860 auf
240.



Der Dioxin-Skandal hat die missliche Lage weiter verschärft. Zwar
haben sich die Preise wieder etwas erholt, doch es fehlt noch einiges,
um kostendeckend arbeiten zu können. Wie kann ich überhaupt noch am
Markt bestehen? Diese Frage stellen sich immer mehr Betriebe. Die einen
investieren und wachsen, die anderen resignieren und schmeißen
frustriert den Bettel hin.



Still
 



Kann die übermächtige Fleisch-Industrie helfen? Man mag es kaum glauben.
Doch wer am Freitag den Worten von Antoon Vermeer lauschte, wurde eines
Besseren belehrt. Der Aufsichtsratsvorsitzende des Schlacht- und
Nahrungsmittel-Multis Vion war Gastredner beim Hohenloher Bauerntag in
Wallhausen. Und in der Halle war es mucksmäuschenstill. Denn Vermeer
präsentierte ein Vermarktungskonzept, das die Kleinen sehr wohl mit den
Großen zusammenbringen kann. Vion versteht sich als Partner der
heimischen, auch kleinteiligen Landwirtschaft. Abzocke? Preisdiktat?
Mengendruck? Pustekuchen. Eher hatte man den Eindruck: Wir sitzen doch
alle in einem Boot.



Bauerntage in Hohenlohe: Da gibt es normalerweise immer etwas zu
meckern. Es ging auch schon ganz heftig zur Sache. Nach Vermeers Vortrag
kam nicht eine Frage: So friedlich war es schon lange nicht mehr. In
Crailsheim zerlegt und schlachtet Vion 16 000 Schweine und 3 300 Rinder
pro Woche. Der Konzern ist also tatsächlich da, wo ihn Vermeer haben
will: vor Ort, bei den Landwirten. Seine Rechnung ist einfach: Auf dem
Weltmarkt hat Europa keine Chance. Rinder und Schweine werden woanders
viel günstiger produziert. Also konzentriert sich Vion vor allem auf die
Kernmärkte Deutschland, Niederlande und Großbritannien − und hält die
Preiskonkurrenz flach. Statt dessen setzt Vermeer auf drei "Megatrends"
bei den Verbrauchern: Gesunde Ernährung, Tierwohl und Regionalität. "Wir
wollen mit Ihnen einen Mehrwert schaffen", rief er in die Halle. "Mit
maßgeschneiderten, modernen Fleischkonzepten."




Knallhart
 




Ob es den Hohenlohern hilft? Abwarten. Die Richtung scheint zu stimmen,
aber auch Vion ist ein Konzern, der knallhart rechnet − und vor allem
eines will: satte Gewinne abschöpfen. Die haben die Erzeuger derzeit
nicht, sie sitzen am kürzeren Hebel. Ihr Preis ist häufig nicht der, den
die Schlachtbetriebe setzen. Und so geht der Strukturwandel wohl
weiter. Gnadenlos.


 

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