Giftige Abrechnung mit verfeindeter Lobby

Rund 500 Besucher kamen am Freitag zum Hohenloher Bauerntag in die Mehrzweckhalle Wolpertshausen. Hauptredner war Bernhard Krüsken, Geschäftsführer des Deutschen Bauernverbands.Fotos: Ralf Reichert

Rund 500 Besucher kamen am Freitag zum Hohenloher Bauerntag in die Mehrzweckhalle Wolpertshausen. Hauptredner war Bernhard Krüsken, Geschäftsführer des Deutschen Bauernverbands.Fotos: Ralf Reichert

 

Klaus Mugele geht mit Tier- und Naturschützern hart ins Gericht und stiehlt Hauptredner die Show

 

Große Wut hat sich aufgestaut. Der Ärger ist gewaltig. Viele Landwirte aus Hohenlohe fühlen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt: von Naturfreunden bis zu Tierschützern. Und sie fühlen sich immer stärker gegängelt: von überbordenden Regulierungen bis zu nervtötenden Kontrollen. Der ganze Frust entlädt sich am Freitag beim Bauerntag in Wolpertshausen.

 

Von Redakteur Ralf Reichert, Hohenloher Zeitung am 7. Februar 2015

 

 

Rund 500 Besucher kamen am Freitag zum Hohenloher Bauerntag in die Mehrzweckhalle Wolpertshausen. Hauptredner war Bernhard Krüsken, Geschäftsführer des Deutschen Bauernverbands.Fotos: Ralf Reichert

 

Klaus Mugele geht mit Tier- und Naturschützern hart ins Gericht und stiehlt Hauptredner die Show

 

Große Wut hat sich aufgestaut. Der Ärger ist gewaltig. Viele Landwirte aus Hohenlohe fühlen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt: von Naturfreunden bis zu Tierschützern. Und sie fühlen sich immer stärker gegängelt: von überbordenden Regulierungen bis zu nervtötenden Kontrollen. Der ganze Frust entlädt sich am Freitag beim Bauerntag in Wolpertshausen.

 

Respektlos

 

"Unser Land braucht Macher, keine Gegen-Alles-Fanatiker", giftet Klaus Mugele, Vorstandsvorsitzender des hiesigen Bauernverbands. "Die Bürokratie erschlägt unsere Landwirte", ruft Geschäftsführer Helmut Bleher den rund 500 Besuchern zu. "Was in der Tierschutzszene abgeht, kennt keine Grenzen mehr", sagt Mugele. Respekt, Toleranz gegenüber Andersdenkenden? Mugele winkt ab. Ja, er hat sogar "menschenverachtende Züge" ausgemacht. Bleher wiederum beschreibt, wie bäuerliche Existenzen auf dem Spiel stehen, wenn Prämien zurückgefordert werden. "Kürzungen sind ok, aber Sanktionen gehen nicht." In einem Fall ging es um 18 000 Euro, obwohl der Fehler nicht nur dem Landwirt anzulasten war, sondern auch der Behörde. "Hier herrscht keine Waffengleichheit." Auch bei den Veterinärkontrollen sei die "Erlasslage völlig unbefriedigend".

 

 

"Fanatisch" ist an diesem Freitagnachmittag Klaus Mugeles Lieblingswort. Und er spart nicht mit vergleichbar extremen Begriffen. Man spürt: Hier ist einer stinksauer, ins Mark getroffen. Von all der "Hetze und Polemik". Geschürt von mächtigen, finanzstarken Lobbygruppen. Und die Landesregierung? "Die Naturschutzförderung ist ihr wichtiger. Man bekommt den Eindruck, die Erzeugung von Lebensmitteln sei Nebensache."

 

Mugele spricht für die Mehrzahl der konventionell wirtschaftenden Bauern, die sich nicht bieten lassen wollen, das Tierwohl mit Füßen zu treten und die Umwelt zu belasten. Öko? Bio? Die ganze Debatte ist ihnen ein Graus. Weil sie sagen: Wir produzieren ebenfalls nach sehr hohen Standards. Gegen Massentierhaltung und Agrarfarbiken? "Keiner sagt, was und wen er eigentlich meint." Gegen TTIP, Gentechnik und Pflanzenschutz? Mugele kritisiert pauschale Anti-Haltungen aufs Schärfste, spricht von "Weltverbesserern und Alles-Besser-Wissern".

 

Wutbürgerei

 

Mit seinem Rundumschlag stiehlt er dem Hauptredner glatt die Show. Bernhard Krüsken, Geschäftsführer des Deutschen Bauernverbands, nimmt das Tempo raus, klingt wenig kämpferisch − und verliert sich in Details. Nur zu Beginn zeigt er rhetorische Präsenz: Wenn Grüne auf Parteitagen über Landwirtschaft diskutieren, sei das "eine ziemlich durchsichtige Form von Wutbürgerei". Das Thema Tierrechte? "Ist im Feuilleton angekommen", vor 15 Jahren noch undenkbar. Und schließlich das "Landlust-Phänomen" − ein Wunschbild, das mit der Wirklichkeit wenig zu tun habe. "Die Landwirtschaft wird zur Projektionsfläche dieser Life-style-Geschichte." Sein Gegenrezept: in die Offensive gehen. Ein Leitbild entwerfen und das Realbild so oft wie möglich zeigen: "Stalltür auf, Webcam rein." Nur so könne man der "Macht der negativen Bilder", meist bezogen auf Einzelfälle, begegnen. "Einzelfälle prägen die öffentliche Meinung", bestätigt Nik Sakellariou, SPD-MdL. "Nach dem Chlorhühnchenfall waren plötzlich 81 Millionen Deutsche der Meinung, sie wüssten, was TTIP ist."

 

Kommentar

Differenzieren

Ständig aufeinander einzuprügeln, bringt nichts.

 

Ständig aufeinander einzuprügeln, bringt nichts. Am Freitag schlug mal wieder der Bauerverband zurück. Wie du mir, so ich dir. Die Reaktion wird nicht lange auf sich warten lasen. Und sie wird genauso heftig sein. Der Karren ist verfahren, ihn aus dem Schlamm gegenseitiger Vorhaltungen zu ziehen, wird schwer. Weil die Positionen extrem verhärtet sind. Der Bauernverband mag die Tier- und Naturschutz-Lobby verblendet nennen. Aber auch hier gibt es − wie in der Landwirtschaft − solche und solche. Differenzierung tut Not. Beide Seiten müssen endlich zur Vernunft finden. Und der Bauernverband muss sich fragen, wieso das Bild von der konventionellen Landwirtschaft solch negative Züge angenommen hat. Dies nur den Medien in die Schuhe zu schieben, ist viel zu einfach

 

Zurück

files/bauernverband/hintergruende/trecker_wiese.jpg