Am Rande des Ruins
von Holger Ströbel, Haller Tagblatt
Steigende Kosten, sinkende Erlöse, aggressive Konkurrenz: Halls Bauern in der Zwickmühle
Albert Linhardt aus Hessental verlädt ein Ferkel, seine Kollegen sowie
Marktleiter Rudolf Breuninger (links) und Oberbürgermeister
Hermann-Josef Pelgrim (Zweiter von rechts) beobachten ihn. Die Stimmung
dabei ist gedrückt.
SCHWÄBISCH HALL Helmut
Fritz steht neben seinem Anhänger, die Hände tief in die Taschen seines
Arbeitsmantels vergraben. Der Regen tropft ihm vom Cordhut. "Ich bin
hier auf dem Ferkelmarkt, seit ich 16 bin", sagt der Bauer aus
Gschlachtenbretzingen, "doch so schlimm wie jetzt wars noch nie".
Wie
es um den traditionsreichen Markt auf den Haller Kocherwiesen bestellt
ist? "Lange wirds den nicht mehr geben", vermutet Helmut Fritz. Was für
die Bauern und Schweinezüchter schon lange bittere Realität ist, hat
Hermann-Josef Pelgrim gestern Vormittag "regelrecht geschockt".
Halls
Oberbürgermeister besucht seit Jahren den Markt im Dezember und ersteht
dort ein Spanferkel, das er für ein Weihnachtsessen in der
Schuppachburg spendet. "Die Preise sind für die Bauern nicht mehr
auskömmlich", hat Pelgrim erkannt. Die Bauern nicken. "Das ist so, als
würden Sie auf ihr Gehalt verzichten und monatlich noch 4000 Euro
mitbringen", sagt Klaus Kolb zum Oberbürgermeister.
"Nur zweiter Sieger"
Der
Riedener arbeitet als Jurist in Stuttgart, doch als
Nebenerwerbslandwirt steht er jeden Tag noch mehrere Stunden zusätzlich
im heimatlichen Stall. Für den Zusatzaufwand zahlt er drauf. "Die
Kleinen", sagt Kolb, "werden systematisch kaputtgemacht".
Die
zehn Ferkelerzeuger, die derzeit noch den Haller Markt beschicken,
hadern mit den so genannten Großgruppenpreisen. Landwirte, die über 100
Tiere auftreiben können, verdienen demnach um die sieben Euro mehr pro
Ferkel als die kleinen Bauern - zu denen gehören aber die Meisten auf
dem Haller Ferkelmarkt.
Außerdem macht den Hohenloher Bauern
die europäische Konkurrenz zu schaffen. "Exportorientierte
Ferkelerzeuger aus Dänemark und Holland werden mit einer aggressiven
Preispolitik versuchen, weitere Anteile auf den Märkten zu gewinnen",
hat das Fachblatt "BW-Agrar" bereits im Februar prognostiziert -
"baden-württembergische Ferkelerzeuger dürften in diesem Wettbewerb oft
nur zweiter Sieger sein".
So scheint es gekommen zu sein. Der
Effekt vor Ort: Viele Aufzuchtbetriebe hören auf. Zum Beispiel Manfred
Bürk aus der Stadtheide. Jahrelang hielt er dem Markt vor seiner
Haustür die Treue. Gestern Vormittag war er nicht mehr dabei. Auch
deshalb werden es nur noch rund 3000 Tiere gewesen sein, die am Ende
des Jahres auf den Kocherwiesen insgesamt gehandelt worden sind - vor
zwei Jahren waren es knapp 7000. In den goldenen Sechziger Jahren
wechselten manchmal mehr als 60000 Tiere pro Jahr unterhalb der Comburg
den Besitzer.
Sterbende Höfe
"Diese Zeiten
kommen nicht wieder", sagt Georg Heiner aus Bibersfeld. Manchmal nur
noch 20 Euro pro Ferkel seien derzeit zu erlösen. "Gleichzeitig
explodieren die Kosten für Getreide, Wasser und Strom", so der
erfahrene Landwirt. Allein das Futtergetreide hat sich im Vergleich zu
2006 um 80 Prozent verteuert. Heiner weiß: Wenn er einmal aufhört,
stirbt sein Hof. Sein Sohn arbeitet bereits hauptberuflich als
Großhandelskaufmann und hat wenig Interesse, für die harte Arbeit auch
noch draufzahlen zu müssen. Dass die Haller Bauern kurzfristig mit
ihren Ferkeln wieder Gewinne erwirtschaften können, das glaubt keiner.
60 bis 70 Euro, schätzt Helmut Fritz, müsste man pro Tier verlangen,
damit sich der Aufwand halbwegs rentiere - "aber allein die
Produktionskosten pro Ferkel liegen bei rund 52 Euro".
Auch
dass der so genannte Schweinezyklus mittelfristig Abhilfe schafft -
demnach werden auf den Märkten niedrigpreisige Phasen stets von
hochpreisigen Phasen abgelöst - glaubt in Hall niemand.
"Das
Problem ist", sagt Klaus Kolb: "Die guten Zeiten werden immer kürzer,
die schlechten dauern immer länger" - die Tage des Haller Ferkelmarktes
scheinen gezählt.